Der W, Toxpack, Boykott - 19.04.2013 - Berlin, Astra

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Der W, Toxpack, Boykott - 19.04.2013 - Berlin, Astra

29.04.2013 - Mit dem Leben ist es immer so eine Sache: Entweder man geht auf „Nummer Sicher“, legt die Beine hoch und schraubt den Thrill zurück oder man gibt Vollgas – volles Risiko und nimmt Schrammen & Kratzer in Kauf. Für die meisten Musiker im Rock ‘n‘ Roll Zirkus gilt meist Option zwei als die einzig wahre. So auch für Stephan Weidner alias Der W. Der hat bekanntlich viele Hobbies abseits der Musik, zu denen unter anderem auch das Mountainbiking zählt. Nicht nur, dass aufgrund einiger Eskapaden mit dem Zweirad die, eigentlich für 2012 angedachte, Tour komplett abgesagt werden musste – nein, auch für die Tour 2013 standen die Sterne nicht gerade günstig. Mit allerlei Impressionen aus Krankenhaus und Medikamentenschalen im Vorfeld über soziale Netzwerke versorgt, waren wir doch enorm skeptisch, ob das Ding in Berlin nun tatsächlich stattfinden sollte. Eigentlich sollte die Tour ja auch schon am 10.04. starten, was aber aufgrund drei gebrochener Rippen und allerlei Schmerzen vergessen werden konnte.

But nevermind: Hierstanden wir nun also vor dem Astra Kulturhaus, an der Grenze zu Friedrichshain/Kreuzberg. Tourauftakt des W. 9 days delayed. Die Gegend um das Astra, welche seit einigen Jahren für Kreativität, Sub- & Jugendkultur & wilde Parties steht, blickt auf schwere Zeiten, soll doch das Kulturgelände (vor allem neben dem Astra) geplanten Luxuswohnungen weichen. Fraglich also, ob man hier noch ewig Künstler bewundern kann.

Doch zurück zum W. Ein ursprünglich angedachtes Interview ebenfalls kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen gestrichen, fanden wir uns gegen halb 8 vor der Bühne ein, um Boykott aus Berlin musikalisch näher kennenzulernen. Das einzige, was ich über die Jungs wusste, war der Umstand, dass der Basser wohl zum W-Forum Moderatoren Team gehört(e), was wahrscheinlich auch ein Grund dafür sein dürfte, dass die Jungs den Support Slot ergattern konnten. Und irgendwie erwischten Boykott den Fluch des Openers. Schlecht abgestimmter Sound, Nervosität und große Erwartungen. Denen konnten sie mit ihrem bodenständigen, deutschsprachigen Rock nicht wirklich standhalten. Das war alles keine schlechte Sache, jedoch sprang bei mir der Funke nicht wirklich über, wenn auch die Bandmitglieder allesamt absolut sympathisch daher kamen.

Es folgten die Rabauken von Toxpack, ebenfalls aus der Hauptstadt und man merkte sofort, dass hier ein ganz anderes Kaliber mit massig Erfahrung auf der Bühne stand. Die Jungs um den extrem liebenswürdigen Schulle heizten der Meute ordentlich ein und die Stimmung begann rapide zu steigen. Und was war das? Zwei Meter neben uns fanden sich plötzlich Philip & Riitchy von Eschenbach ein, um die Gassenhauer Toxpacks lauthals mitzugrölen. Sehr geiles Ding. Die Berliner Live-Garanten bauten auch immer mal wieder die obligatorischen Coverparts (AC/DC & Motörhead lassen grüßen) in ihre Songs ein, als seien diese ein fester Bestandteil derselben. Gutes Ding & super Einstimmung auf den W.

Kurz vor Beginn schlich sich eine bekannte Gestalt in eine schwarze Lederjacke gehüllt an den Bühnenrand. Kennt man den nicht? Und ob! Es handelte sich um niemand geringeren als Pe Schorowsky (Ex Onkelz Drummer), der sich hier anscheinend die Show seines langjährigen Freundes keinesfalls entgehen lassen wollte.

Das Set startete mit einem zum instrumental Intro umgebauten „Furor“ vom zweiten Album, bevor es dann mit dem obligatorischen Albumopener, in diesem Fall „Operation Transformation“ von der „III“, in die 22-Song-starke W-Show losging. Ich bin mir nicht sicher, ob es nur daran lag, dass man vorher wusste, dass Stephan mit starken Schmerzen zu kämpfen hatte, aber man sah ihm diese zeitweise auch wirklich an. Ein, in den Bewegungen etwas verhaltener und hin und wieder mit verzerrtem Gesichtsausdruck, Frontmann, der trotzdem alles für seine mehr als treu ergebenen Fans gab und sich sogar nicht davon abhalten ließ, die Gitarre zu bearbeiten. Hut ab, Herr Weidner – das alles mit gebrochenen Rippen war sicher kein Kinderspiel.

Der Show an sich war jedenfalls absolut nicht anzumerken, dass das Ganze hier der Tourauftakt war, denn es lief alles mehr als rund. Die Band war genauso tight und stimmig wie das extrem coole Bühnenbild (da gab es einen Satz weiße Amps, wie?) und die Setlist sollte noch ihre Kraft entfalten. Diese beinhaltete natürlich auch einige Songs vom neuen Album, welche von den Fans zumeist live wohl als etwas sperriger empfunden werden, jedoch kickten Nummern wie „Mordballaden“, „Judas“ oder „Herz voll Stolz“ dennoch mächtig. Lediglich das eigentlich sau coole „Kampf den Kopien“ fand nicht so richtig Anschluss. Der Sound hat sich übrigens auch gebessert, wenn ich es auch als ziemlich leise empfand. Das kann aber auch meiner Erkältung geschuldet gewesen sein. Auch das Shure Mikro (Elvis Nachbau) von Stephan sieht zwar supercool aus, jedoch besitzt es ganz einfach eine andere Dynamik und so war der Gesang äußerst wechselhaft und teilweise sehr schwankend in der Lautstärke. Im Set fanden sich übrigens auch weitere Perlen wie z.B. „In stürmischer See“ oder auch das immer gute „Schatten“ vom Debüt.

Stephan machte übrigens nach wiederholten „Mexico“-Rufen aus dem Publikum eine klare Ansage, was er von derartigen Rufen und dem Song an sich so hält. Eins kann ich euch verraten: Lasst es bleiben, „Mexico“ war noch nie einer seiner Lieblinge. „Regen“ anscheinend schon eher, denn nach einem Endlosjam von „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ – inkl. Publikumsanimation – und dem, auch live, grandiosen „Kafkas Träume“ gab es zum Abschied dann tatsächlich ein Onkelzcover. Nicht ganz 1zu1 übernommen und doch mit klarem Onkelzvibe – so sang Stephan seinen Song ja schließlich auch damals komplett.

Eines ist jedenfalls klar: Das Ding sorgt nach wie vor für massig Gesprächsstoff unter den Fans, die sich nicht ganz einig in dem Thema sind, ob es nun cool ist oder nicht, entgegen mehrfacher Aussagen, keine Onkelzsongs im Soloset zu spielen, nun doch einen wieder ausgekramt zu haben. Wenigstens kann der W das ohne Peinlichkeits- & Fremdschämfaktor rüberbringen, was ja spätestens seit dem „Comeback“ von Kevin nicht selbstverständlich ist. (bp)

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