Zurück zur Übersicht | Archiv Dezember 2010 | Archiv 2010
Label: 3r Entertainment
VÖ: 03. Dezember 2010
03.12.2010 - Eines vorweg: eine Rezension zum neuen W-Album kann ich nicht ganz unvorbelastet schreiben, gehören doch sowohl die Onkelz als auch Der W selbst zu meinen absoluten All-Time-Favourites, deshalb ist es auch schwer für mich, dieses Album so objektiv wie möglich zu beurteilen. Gerade auch nach den Vorabhörproben und der Single "Sterne", von der mir bisher nur der Titeltrack 100%ig zusagte, war ich doch etwas skeptisch, was eben jenes Vollalbum angeht.
Fangen wir doch am besten von vorne an. "Autonomie", des Weidners zweites Studioalbum wird mit einem kurzen Gitarreninstrumental nebst einer Kuckucksuhr eingeläutet, bricht kurz ab und die ersten Töne von "Nein, nein nein" schlagen einem entgegen. Schon hier fällt der Wechsel an der Gitarre auf (Rupert Keplinger ist seit Dezember letzten Jahres nicht mehr dabei). Auch bekommt Dirk, der auf der letzten Tour noch den Rhythmusgitarristenposten inne hatte, mehr denn je Spielraum für Soli. Schon im Opener ist die Marschroute festgesetzt: Angst und Finsternis, die noch auf dem ersten Album "Schneller, Höher, Weidner" viel zum Tragen kamen, werden abgelegt und dem Rock 'n' Roll platz gemacht. Gleich danach folgt mit "Mamas kleines Monster" ein erstes kleines Highlight mit einem fetten Stampfer-Riff am Anfang. Beim Titel könnte man vielleicht eine Art Hommage an Social Distortion vermuten, jedoch hat der Song ansonsten nicht sehr viel mit den Orange County Helden gemein. Gerade der Gesang steigert sich im Laufe des Songs immer mehr und entwickelt immer mehr Dynamik.
Nach teils ungewöhnlichen (kleiner Skaeinfluss in "Urlaub mit Stalin" mit etwas unglücklichem Reim von Gemahlin auf Stalin) und eher unauffälligen Songs (Autonomie des ICHS - Freud lässt abermals grüßen) kommt dann mit "Schlag mich (bis ich es versteh" der erste Gänsehautmoment angerollt. Der akustische Anfang mit Slidegitarre steigert sich in den 7 1/2 Minuten auch immer mehr in eine astreine Rocknummer hinein und bohrt sich regelrecht in den Hörkanal. Nach "Machsmaulauf" bei dem Mikkey Dee, seines Zeichens Drummer von Motörhead, hinter der Schießbude sitzt und es somit auch als Motörheadabziehbild durchgehen könnte, folgt dann mit "Niemand hier" mein absoluter Favorit des Albums. Thematisch geht es um den sog. Tourblues (was auch der Arbeitstitel war) und im Refrain wird Der W von YEN unterstützt, welche unter anderem auch bei "Sterne" mit ihrer außergewöhnlichen Stimme den Song aufzuwerten vermag. Letzterer wartet mit der chilligen, getragenen Note mit einigen Wolf Maahn-Anleihen ("Zauberstraßen) auf.
Eines wird weiterhin deutlich: was im letzten Album noch die Streicher waren, sind jetzt die Bläser, die auch aus Songs wie der Kokserbluesnummer "Kleine weiße Lügen" noch richtig was rausholen. Passt auch allgemein ganz gut zu dem 70er Jahre Rock Feeling, was Dirk nicht zuletzt zusammen mit seinem Wah-Wah-Pedal in den Soli aus dem Ärmeln schüttelt. Passend dazu gibt's kurz vor Schluss dann noch mit "Ihr habt Recht" eine absolute Gute-Laune-Nummer mit viel Selbstironie aufs Tablett. Generell ist auf "Autonomie" weitaus weniger Pathos und mehr von eben jener Selbstironie wiederzufinden, als das zum Beispiel noch auf dem letzten Output des Ws der Fall war und das steht ihm verdammt gut. Der W muss es scheinbar niemandem mehr beweisen und gibt somit den Songs wesentlich mehr Freiraum. Man bekommt ebenso das Gefühl, dass auch die anderen Bandmitglieder ihre Einflüsse dazu beitragen konnten.
Ein unerfüllter Wunsch bleibt wohl der nach einem Instrumental, was an solch grandiose Werke wie "Baja" oder auch "Panamericana" von den Onkelz anzuknüpfen vermag, gehen doch sowohl das Intro wie auch "Ode an den Raum" beide etwas unter.
Nachdem "Autonomie" mit dem bedächtigen "Der Hafen" zu Ende geht, gilt festzuhalten, dass Der W mit diesen 17 Songs mit 65 Minuten Spielzeit ein doch sehr komplexes und vielseitiges Werk abgeliefert hat. Textlich wird mehr denn je auf Phrasen zurückgegriffen, was dann doch als kleiner Minuspunkt zu werten ist. Vielleicht spricht es mich einfach persönlich nicht so sehr an, jedoch gab es auf den vergangenen Veröffentlichungen doch mehr Substanz, von der mehr zehren konnte. Sei's drum, dieses Album wurde bisher von Durchzulauf zu Durchlauf besser und gerade auch im Vergleich zu anderen deutschen Veröffentlichungen bleibt mir nichts anderes übrig als die Bestnote zu zücken und die paar schwächeren Momente auf "Autonomie" zu vernachlässigen. (bp)
Unsere Bewertung:
5 / 5 Punkte