Wirtz, Übergas - 14.11.2009 - Berlin, Columbia Club

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Wirtz, Übergas - 14.11.2009 - Berlin, Columbia Club

16.11.2009 - Am 28.09. diesen Jahres habe ich noch die zweite Platte von Daniel Wirtz rezensiert, knapp einen Monat später stand dann das offizielle Release des "Erdlings" in Deutschlands Läden und circa eine Woche darauf meldeten die Jungs aus Frankfurt ihren Tourstart. Ich sollte die Formation um Fronter & Mastermind Daniel Wirtz in Berlin erleben und was soll ich sagen? Es war eine helle Erlösung, als wir endlich vor dem Club standen und uns auch schon Matthias Hoffmann, seines Zeichens unter anderem Produzent der Wirtz'schen Platten, empfang, denn wir hatten das Glück, ein Interview mit einem leicht angeschlagenen, aber überaus sympathischen Daniel führen zu dürfen, der uns direkt seine Reiseapotheke anbot. Das gibt's dann - wie gewohnt - in den nächsten Tagen hier online.

Der Columbia Club war mit offziell 800 Leuten mehr als ausverkauft, was äußerst beeindruckend war, habe ich ihn bei der letzten Tour doch noch im Dresdener Bärenzwinger vor schätzungsweise 150 Hanseln gesehen. Als Support hat Daniel sich die Jungs von Übergas aus Hamburg geangelt, welche allesamt gute Freunde von Wirtz & Band sind. Besonderheit: eigentlich sind ja Übergas die Band um den Ex Der-W Gitarristen Rupert Keplinger, welcher allerdings weder auf der Bühne noch auf deren Myspace Seite zu sehen ist. Ausstieg auch bei Übergas? Looks like. Die restlichen Jungs schien das allerdings nicht wirklich zu stören, rockten sie doch - angesagt von Wirtz Basser Christian - von der erste Minute an mit durchgetretenem Gaspedal und einer Mischung aus Metal und Hardcore los und siehe da! Nach ein paar Songs war das Eis zwischen Publikum und Band gebrochen und der erste kleine Pogo ging los. Es wurde während der gesamten Show sehr viel versucht, die Zuschauer miteinzubeziehen, was teilweise gelang. Als Anheizer also durchaus eine gute Wahl, wenn auch musikalisch nur bedingt passend, schlägt doch Wirtz mit seiner Musik in eine deutlich ruhigere Kerbe - sollte man denken!

Nach circa einer halben Stunde Umbauzeit ließ sich dann Wirtz also auf die hungrige und durstende Meute des Clubs ein. Wie auch beim Interview zuvor, legte er ein sehr legeres, entspanntes Auftreten an den Tag und man war gespannt, wie sehr ihm seine Grippe (hoffentlich nicht die des Schweines) auf der Bühne zu schaffen macht. Doch beginnen wir mit dem Anfang: kein gekünsteltes Intro, nur eine kurze Ansage benötigt Wirtz, um die Fans anschließend mit dem Opener "Im Freien Fall" und dem ersten Vollrocker des Abends "Geschichten ohne Sieger" zum Ausrasten zu bringen. Was von Anfang an auffiel, war der glasklare und lupenreine Sound der Band. Dieser war schlichtweg perfekt. Perfekte Lautstärke, perfekt ausbalanciert und jedes Instrument sowie jede Stimme waren perfekt zu hören. Lasst es zu überschwinglich klingen, aber so einen guten Sound erlebt zu haben, kann ich nicht mal an einer Hand abzählen und behaltet euch im Hinterkopf: das ist hier keine von einem Majorlabel gezüchtete Plastikband, sondern ein (noch) recht kleiner, deutscher Independent-Act - Wahnsinn! Auch das Fehlen einer Rhythmusgitarre in den Solopassagen war zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Euch von der gesamten Setlist zu berichten ist eigentlich ziemlich überflüssig, die war nämlich recht kurz geraten - könnte man zumindest bei jeder anderen Band erwarten, welche mit Krankheitserscheinungen zu kämpfen, noch fast eine komplette Tour vor sich und gerade mal zwei Alben herausgebracht hat. Aber nicht so bei Wirtz. Es wurden insgesamt von beiden Wirtz-Alben ganze zwei(!) Songs NICHT gespielt ("Leb Wohl" und "Wieder mal 'ne Nacht"). Alter, kurz ist anders, oder? Ansonsten brachte beinahe jedes einzelne Lied die Leute zum absoluten Ausrasten und ein Highlight jagte das nächste. Schon nach dem ersten Song musste Daniel die überschwänglichen Jubelschreie erstmal sichtlich verarbeiten und man merkte während des gesamten Konzerts, dass hier Leute mit Herz, Leib und Seele am Start sind - sowohl bei der Band, als auch bei den Fans. Selbst bei den noch so leisen Tönen, wie etwa bei "Nada Brahma" oder "Erster Stein" wurde aus nahezu allen 800 Kehlen lautstark mitgesungen. Bei Stücken wie "L.M.A.A." oder "Wo ich steh" konnte ich mir das ein oder andere "BOAH!" nicht verkneifen, bretterten Bass, Gitarre, Schlagezeug und schlussendlich Gesang doch unerbittlich durch Herz, Magen und Nieren.

Während ich das Review zu "Erdling" schrieb, war ich schon sehr gespannt, wie wohl solche Midtempo-Nummern wie "Meilenweit" etwa live ankommen würden. Was soll ich sagen?! Pogo! Keinerlei Anzeichen von Rumstehen oder Langweilen, nein, selbst, wenn das Tempo nicht angezogen wurde, rockten die Fans wie die Besessenen. Erstaunlich war auch die Stimme von Daniel Wirtz. Es war einfach nichts von Grippeerscheinungen oder Ähnlichem zu sehen und zu hören. Jeder Ton, jedes "yeah" und "ohooo" wurde eins zu eins wie auf dem Album gesungen, auch, wenn es noch so lang oder noch so hoch sein mochte. Wenn ich da an andere Bands, die die schweren Sachen durch Playback-Chöre ersetzen denke - mal bitte eine Scheibe abschneiden, Babies! In der Mitte des Sets hatte man dann mit einigen Mikrofonaussetzern zu kämpfen, bis man um einen Mic-Wechsel dann doch nicht herumkam. Diese Zeit wusste Daniel aber auch mit ein paar Geschichten und lockerem Plausch zu überbrücken. Insgesamt muss man der gesamten Band eine sehr ausgeprägte Fannähe attestieren, was sichtlich gut ankam.
Während des Gigs ging es natürlich nicht immer nur euphorisch zu, sondern auch bedächtigte Momente hielten Einzug. So zum Beispiel als "Kugel Kopf & Eins im Sinn" dem einstigen Sub7fan-Webmaster Karsten Hoffmann gewidmet wurde, der, angefangen mit einer Grippe, schlussendlich dann Frau und Kind nach seinem - wohl dadurch verursachten - Tod zurückließ. Das ging schon unter die Haut.

Ich könnte jetzt noch stundenlang weiter über diesen rundum gelungenen Abend berichten, schließe nun aber mit den folgenden Worten: definitiv das beste Konzert des Jahres für mich/uns, was noch beinahe die gesamte Rückfahrt noch für Geprächsstoff sorgte. Danke und nochmals danke!

Leute, schaut euch Wirtz mal an, wenn ihr könnt. Hört in seine CDs rein und gebt diesem ehrlichen und sympathischen Menschen den Support, den er verdient! (bp)

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