Verlorene Jungs - Runde 8

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Verlorene Jungs - Runde 8

Label: Sunny Bastards
VÖ: 11. September 2009

23.09.2009 - Kaum eine andere bekannte Band aus der Oi!- und Punkszene hat in den letzten Jahren solch wesentliche Veränderungen durchgemacht, wie die Verlorenen Jungs. Gegründet wurde die Formation im Jahr 1996 und seit dieser Zeit sind die Jungs fester Bestandteil der bundesdeutschen Oi!-Szene und wurden immer wieder in einem Atemzug mit Bands wie Broilers, Loikaemie oder Rabauken genannt. In den letzten zehn Jahren hat sich aber einiges verändert. Die zwei größten Einschnitte bei den Verlorenen Jungs waren, dass 2005 Bernd, der Schlagzeuger und anschließend 2008 Peter alias Zoni, der Frontmann und Sänger, die Band verlassen haben.
Wenn ein Sänger, der maßgeblich für den Wiedererkennungswert der Musik zuständig war, Abschied von seiner Band nimmt, ist das für die übrigen Musiker natürlich immer wieder schwer, den Verlust auszugleichen. Denn anders als beispielsweise bei einem Schlagzeuger, kann man die Stimme eines Menschen nicht einfach so ersetzen. Im Falle der Verlorenen Jungs war es dann einfach so, dass man aus der Not eine Tugend gemacht hat und die Chance nutzte, einen kompletten Neuanfang zu wagen. Nach zwei Samplerbeiträgen in neuer Formation gibt es mit “Runde 8“, den achten Tonträger der Verlorenen Jungs, einen ersten umfassenden Einblick in das neue Wirken der einstmaligen Oi!-Combo.

Jedoch erst einmal ein paar Zeilen zu den Bandinternen Veränderungen: Schwefel spielt weiterhin Gitarre, hat aber nun auch gleichzeitig Peters Platz am Mikrophon eingenommen. Sein Gesang sorgt zusammen mit einem neuen Sound dafür, dass die Verlorenen Jungs mittlerweile komplett im Punkrock angekommen sind - vom Oi! ist keine Spur mehr. Dies ist auch gut so, denn Schwefels Stimme würde nicht zur Oi!-Musik passen. Peters Stimme passte dagegen gut zum Arbeitersound der ersten Platten, auch wenn sie nicht jedermanns Sache war, dafür war sie markant und unverwechselbar. Diese Einmaligkeit, die die Verlorenen Jungs vorher hatten, haben sie jetzt ein wenig eingebüßt. Trotzdem muss ich sagen, dass mir der neue Sound gut gefällt. Die Verlorenen Jungs versuchen einen neuen Weg zu gehen und geben auch ihr bestes, einen eigenen, neuen und unverwechselbare Stil zu entwickeln. Auch wenn das noch ein Stückchen Arbeit ist, gerade weil der allgemeine Rock- und Punkrock-Bereich sehr viel mehr überlaufen ist als die Oi!-Szene, muss ich sagen, dass die Verlorenen Jungs das ganz gut hinkriegen. Gerade Schwefels Stimme ist sehr interessant. Zwar fand ich sie zu Beginn noch etwas langweilig und nichtssagend, dies änderte sich aber im Laufe der Zeit. Es war nicht nur so, dass ich mich daran gewöhnt habe, ich habe sogar richtigen Gefallen an Schwefels Stimmorgan gefunden. Die Tatsache, dass sie Ecken und Kanten hat und durch ihre junge, unverbrauchte und kraftvolle Attitüde und den neuen Sound einen frischen Wind mit sich bringt, macht Schwefels Gesang interessant und spannend.

Ihre Mini-CD “Runde 8“ ist nun der erste eigene Tonträger nach Peters Weggang und um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Freunde des alten Oi!-Sounds werden mit großer Wahrscheinlichkeit Probleme mit der neuen Band haben, dafür kann man hier nun nach langer Zeit wieder einmal von so etwas wie Weiterentwicklung sprechen. Man merkt, dass eine Menge Power vorhanden ist und spürt, welchen Spaß die Herrschaften beim Musizieren haben. Jedoch muss man auch sagen, dass es der Scheibe auch ihre klaren Schwächen hat.

Insgesamt bekommt der Hörer sieben Songs bei einer Laufzeit von knapp einer halben Stunde auf die Ohren. Als Extra gibt es einen Multimediabeitrag in Form eines Musikvideos zum Opener “Ruhe nach dem Sturm“. Das Video ist ebenso einfach aufgebaut wie der Sound der Verlorenen Jungs. Man sieht lediglich die Band mit ihren Instrumenten, wie sie den Song performen, ab und zu bekommt man die Jungs dann auch nochmal ohne Instrumente an einem Tisch zu sehen, wie sie dort gemeinsam das Lied noch einmal bei einem Bierchen singen. Eine gutaussehende Bedienung rundet das Vergnügen ab. Damit das Video einen zum Lied passenden Drive bekommt, wird das Bild immer wieder gesplittet und in mehreren Fenstern verschiedene Einstellungen der Musiker gezeigt. Es ist also alles sehr einfach gehalten, macht aber trotzdem Spaß zuzuschauen.

Der Opener “Ruhe nach dem Sturm“ ist mit voller Berechtigung das erste Stück der Scheibe. Es geht gut ins Ohr, ist abwechslungsreich und ebenso simpel wie eingängig. Weitere Hits der Scheibe sind in meinen Augen die Ballade “Wie letztes Jahr“, die zwar kaum Text vorweisen kann und alles andere als abwechslungsreich ist, sich dafür als extremen Ohrwurm mausert, sowie “Zeig Dank“, der ebenfalls sehr ins Ohr geht, jedoch den Hörer gleichzeitig aufgrund der ernsten Thematik und des dazu passenden musikalischen Arrangements in eine bedrückende Stimmung versetzt.

Der zweite Song “Stillstand – ja und?!“ gefällt mir auch noch ganz gut. Nach einem etwas langwierigen Start gewinnt das Stück dann doch noch an Fahrt und geht durch seine schöne Melodie und die Textstellen “Beim letzten mal...“ gut ins Ohr, dafür verliert der Song an vielen Stellen immer wieder an Schwung.

Bei den letzten drei Songs handelt es sich um die Titel “Untergang“, “Samstag n8“ und “Freundschaft ist“. “Untergang“ konnte man schon auf dem Slime-Tribute-Sampler hören. Passend dazu geht der Sound ordentlich in die Schrammel-Punk-Richtung, was zu den neuen Verlorenen Jungs in meinen Augen ganz und gar nicht passt. Dafür sind die Aufnahmen zu sauber und das entsprechende Flair will einfach nicht aufkommen. “Samstag n8“ ist eine Neuauflage des Verlorene-Jungs-Klassiker “Samstag Nacht“ vom Album “Ich hoffe es tut weh“. Diesmal wurde der Song mit Rapeinlagen garniert, was zwar viel Abwechslung mit in diesen Tonträger bringt, jedoch mit Sicherheit den wenigsten gefallen wird. Glücklicherweise ist der Refrain in alt-gewohnter Manier dargeboten und die Rap- und Hip-Hop-Anleihen findet man lediglich in den einzelnen Strophen. Der siebte Song “Freundschaft ist“ ist ebenfalls ein altes Stück der Verlorenen Jungs. Auch das hat man neu aufgenommen, doch diesmal nicht von den Verlorenen Jungs selbst, sondern von der Düsseldorfer Hip-Hop-Formation “Der neue Westen“, die hier als Gastband auftritt. Anders als bei “Samstag n8“ bekommt man hier Hip Hip in Reinkultur geboten. Spätestens hier werden die meisten Hörer aus der Punk- und Oi!-Szene den CD-Spieler ausmachen. Ich für meinen Teil bin offen für alle Musikrichtungen und mache auch ab und zu Abstecher in der Rap- und Hip-Hop-Abteilung. Mir hat dieses Experiment, so sehr ich musikalische Toleranz befürworte, jedoch nicht gefallen. Es passt einfach nicht zusammen und die neue Version des Songs “Freundschaft ist“ möchte mir einfach nicht ins Ohr gehen. Das Gute daran ist, dass es sich hierbei nur um das letzte Lied handelt, man wird also vorher nicht aus dem Hörfluss gerissen. In jedem Falle wird man davon ausgehen müssen, dass verbissene Punks und Skins mit dieser Mischung große Probleme haben werden.

Den Verlorenen Jungs muss man dabei definitiv eine große Portion Mut und Konsequenz anerkennen. Sie gehen unbeirrt ihren neuen Weg und haben sichtlich Spaß daran. Dies wird mit Sicherheit für zahlreiche Verluste im Hörerkreis sorgen, jedoch im selben Zuge neue Türen öffnen. Leute, die mit den Verlorenen Jungs Songs wie “Der letzte Bergmann“, “Dein schwerster Gegner“ oder “Gekreuzte Hämmer“ verbinden, sollten die neuen Songs mit Vorsicht genießen. Auch wenn ich das Hip-Hop-Experiment, welches einer tollen Idee zu Grunde lag, als gescheitert einstufen würde, habe ich keinen Zweifel daran, dass die Verlorenen Jungs ihren musikalischen Weg weiterhin gehen werden und ihren Platz in der Oi!- und Punk-Szene weiterhin halten können. Die Jungs sitzen fest in ihrem musikalischen Sattel und man merkt, dass es in ihnen Brodelt. Eine solide Basis ist vorhanden und ich gehe stark davon aus, dass die Verlorenen Jungs ihren Musikstil in den nächsten Jahren weiter ausbauen werden und uns mit weiteren großartigen Punkrock-Songs beglücken werden.

“Runde 8“ wird in einem schönen Digipack angeliefert. Das Artwork ist ansprechend gestaltet, dafür hat man auf ein Beiheft verzichtet. Statt Bandfotos und Songtexten bekommt man als Käufer dieser Mini-CD lediglich die nötigsten Informationen serviert. Schöne Sache, aber ganz Rund läuft es noch nicht. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist auf alle Fälle getan. (sk)

Unsere Bewertung:

3 / 5 Punkte

3 / 5 Punkte

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