Agnostic Front

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Agnostic Front

Redaktion: Ok, die erste Frage ist zum Song "Police State". Habt Ihr eigentlich irgendwelche Reaktionen von Gulliani oder seiner Folgschaft bekommen?

Jimmy: Nein, überhaupt nicht.

Redaktion: Wer schreibt denn die Texte?

Jimmy: Ich schreib viele Texte, Roger auch, das läuft alles zusammen ab. Rob hat auch viele Ideen, er verpackt die Sache dann in einen Song mit 'ner guten Melodie.

Redaktion: In dem Song "Riot Riot Upstart" singt Ihr, dass New York City für eine Nacht Euch gehören könnte. Meint Ihr wirklich, dass so eine Situatiuon möglich wäre, oder benutzt Ihr es nur als Beispiel für die Power der Leute?

Roger: Es ist nur als Beispiel gedacht, da ich nicht davon ausgehe, dass es möglich ist. Aber ist doch ein schöner Wunsch, oder? Die Leute sollen verstehen, dass man alles erreichen kann. Es gibt ja überall auf der Welt Revolutionen, an vielen Orten wurde die Regierung gestürzt. Es kann funktionieren.

Jimmy: Es ist möglich, wenn jeder dabei ist. Aber dieser Song ist nur als Beispiel gedacht.

Roger: Es ist ja auch verdammt schwierig die amerikanische Regierung - oder eben NYC - zu stürzen, da wir eine starke Regierung haben. Wenn wir einen Song mit dem Titel "Costa Rica Is Ours Tonight" hätten... ich mein, die Regierung von Costa Rica kann man einfacher stürzen, das ist ein kleines Land. Dort ist es einfacher.

Redaktion: Das "Something's Gotta Give" - Album sollte ursprünglich auf Hellcat erscheinen, wurde dann aber von Epitaph veröffentlicht. Seht Ihr Unterschiede zwischen den beiden Labels?

Roger: Teilweise ist es dasselbe, teilweise gibt's aber auch Unterschiede. Hellcat hat sicherlich diesen Underground-Vibe, das mag ich lieber, denn das ist auch unser Vibe. Es gibt Vor- und Nachteile, aber letzendlich wollte Brett, dass die Platte auf Epitaph erscheint. Es ist halt ein- und diesselbe Familie, was sehr schön ist.

Redaktion: Alle reden von Unity. Meint Ihr, dass diese Unity immer noch existiert? Seht Ihr diesbezüglich Unterschiede zwischen der europäischen und der amerikanischen Szene?

Roger: Ich denke schon, dass Unity existiert, unsere Shows sind ein gutes Beispiel dafür. Unsere Gigs sind sehr strong, keiner kommt dahin, um sich zu prügeln. Außer den Mädels, besonders in Amerika gibt's viele Frauen - Prügeleien auf den Shows. Das ist verrückt. Die Leute kommen aber eigentlich zu den Shows, um zur Musik zu tanzen, und Politik und andere Geschichten zu vergessen. Sie wollen eine gute Zeit haben.

Redaktion: Auf den Unity-Touren ist ja immer 'ne Punkband dabei - letztes Jahr DROPKICK MURPHYS, jetzt U.S. BOMBS. Wollt Ihr daurch die einzelnen Szenen wie Straight Edge, Skinheads und Punks zusammenbringen?

Roger: Ja, darum geht's eigentlich.

Jimmy: Das ist die Szene.

Roger: Wir haben von Anfang an Hardcore - Punk gemacht, da gab's keine Trennung.

Das war so und wir wollen es wiederbringen. Bringin' It Back, Bringin' It Back, Bringin' It Back... (lacht). Den Song wirst Du gleich hören.

Redaktion: Vor ein paar Monaten hatten wir mit Lou von SICK OF IT ALL über britischen Oi! gesprochen. Er meinte, dass New York Harcore mehr vom californischen Hardcore als von Oi! beeinflußt war.

Jimmy: Wir haben unsere Einflüße von den alten britischen Oi!- und Streetpunkbands wie GBH, DISCHARGE, EXPLOITED, BUSINESS, COCKNEY REJECTS, da kommt der New York - Sound her.

Roger: Ja, da kommt er wirklich her. Danach haben wir unsere eigenen Sachen gemacht, amerikanischen Hardcore wie CIRCLE JERKS, BLACK FLAG, NEGATIVE APPROACH, MINOR THREAT, SS DECONTROL. Aber der Haupteinfluß in New York war immer die britische Szene.

Viele britische Bands klangen auch nach Bands aus New York, wie den RAMONES oder den NEW YORK DOLLS, das war schon ein großer Einfluß für britische Bands. Der Kerl, der die SEX PISTOLS gemanged hat, verfasste ein Buch, in dem er schreibt, dass er nach New York kam, dort den RAMONES - Gitarrenstil entdeckte, zurück nach England fuhr und die SEX PISTOLS dazu brachte, diesen Stil zu spielen. Aber wen kümmert es wirklich, wo es herkommt? Mir is das scheißegal, aber die Wahrheit ist nunmal, dass Kalifornien nicht viel mit einer Sache aus New York zu tun hat.

Jimmy: Man sieht es ja heutzutage, dass der kalifornische Musikstil ganz anders als der New Yorker Stil ist.

Roger: Der Ost - Stil ist genau wie die englischen Sachen dunkeler und straßenbezogener. Da geht's mehr um Struggle und so. Dagegen ist der kalifornische Stil viel fröhlicher.

Jimmy: Die Westküste hatte immer genügend Plattenfirmen, so dass die californischen Bands immer mehr auf der Popseite standen. Das war an der Ostküste ganz anders. Da mußtest du deine eigene Sache machen.

Dagegen hatten die dort Epitaph, Golden Voice, SST und Radical Records. Also immer genügend Firmen im Rücken.

Redaktion: Seht Ihr AGNOSTIC FRONT als Skinheadband?

Roger: Wir sehen uns als Hardcore-Punkband. Und für uns gehören Skinheads zum Punk dazu, es wird ja alles immer getrennt, aber das ist die selbe Sache Wir unterstützen die Skinhead-Szene z.B. durch unsere "Agnostic Front Skinheads" - Shirts. Das hatte aber nie was mit Nazis oder so zu tun, es war immer so wie es heute ist, einfach in Ordnung.

Jimmy: Die New York Szene bestand aus Punks, die Skinhead- und Punkansichten hatten, und Skins, die Punk- und Skinheadeinstellung hatten. Alles war zusammen gemischt, das hat die New York - Szene so besonders gemacht. Deshalb war es auch die coolste Szene im Land, zu einem bestimmten Zeitpunkt auch die coolste der Welt. Jeder hatte ein bisschen von allem, so wie wir. Wir haben eine Working Class - Einstellung, aber auch Punkrockansichten. Wir lieben unser Land, hassen aber die Regierung. Fuck Society, wir gehn nicht arbeiten, hehehe...

Roger: Haha, Vinnie hat seit 18 Jahren nicht mehr gearbeitet, was ist das für ein Anarchist...

Redaktion: Im März 2000 soll auf I Scream Records ein Punk- und Hardcoresampler erscheinen, der von dir (Roger) und Onno Cromag gestaltet wurde. Erzähl mal was darüber!

Roger: Das ist ein großartiger Sampler, sieben amerikanische Bands haben wir aufgenommen. Mit dabei sind AGNOSTIC FRONT, SICK OF IT ALL, MADBALL, BLOOD FOR BLOOD, STIGMATA und COLD AS LIFE. Aus Europa sind noch RYKER'S, OXYMORON, DISCIPILNE und ich denke auch STAMPIN' GROUND aus England dabei. Die europäischen Aufnahmen hab' ich noch nicht gehört, aber die amerikanischen werden toll. Dafür sorge ich.

Redaktion: Eure Texte sind seit jeher wütend und verärgert. Werdet Ihr irgendwann ein Alter erreichen, in dem Ihr mit der Welt zufrieden seit?

Roger: Vregiß es, ich bin mehr als die Hälfte meines Lebens in dieser Szene, ich werde damit nie aufhören. Das ist ein Lebenstil, wir leben Hardcore, denn ich spiele seit 18 Jahren in dieser Band. Vinnie hat sie sogar schon vor 20 Jahren gegründet. Das ist verdammt heftig, denn viele Bands spielen nur vier oder fünf Jahre zusammen, und lösen sich dann auf. Wir haben die Sache immer noch am Laufen, weil wir daran glauben. Wir glauben daran, was wir machen.

Jimmy: Der Grund für die Wut in den Texten liegt darin, dass Musiker die Welt anders als die Masse der Menschen sehen. Wir sehen die Welt vielleicht aus einer anderen Sicht als du sie siehst. Und das spiegelt sich dann in den Texten wieder.

Roger: Außerdem sind wir darüber verärgert, dass soviele Leute in die Szene kommen und schnell wieder gehen. Viele erzählen, dass sie mit Hardcore aufgewachsen sind, spielen aber heutzutage Emo, Swing oder so. Die fühlen sich zu cool. Ich spiele ja auch in einer anderen Band, die mehr in diese Richtung geht, aber ich bin mit Hardcore aufgewachsen und mach's immer noch.

Ich versteh nicht, wie man zu cool für Hardcore werden kann, wenn man mit der Sache aufgewachsen ist.

Jimmy: Wenn man aufwächst und an bestimmte Sachen glaubt, sollte man diese beibehalten.

Roger: Es muß von Herzen kommen.

Jimmy: I Think These People Are Too Much Pussies, um bei der Sache zu bleiben, an die sie geglaubt haben.

Redaktion: Der Song "Rockstar" handelt also von den Leuten, die aus der Hardcoreszene kommen, dann aber immer größer werden.

Roger: Ja, genau. Ich hab diesen Song zusammen mit meinem Bruder Freddie geschrieben. Der Track handelt genau von diesen Leuten.

Jimmy: Viele dieser Leute nutzen die Hardcoreszene, um an einen Plattenvertrag zu kommen und Karriere zu machen. Die kommen aus der Metalecke, nennen sich aber selber Hardcore und schreiben auch "Hardcore" auf die Shirts, damit die Kids die Dinger kaufen. Davon handelt dieser Song.

Redaktion: Wollt Ihr Namen dieser Bands nennen?

Jimmy: Nein, das machen wir nicht.

Roger: (versetzt sich in die Lage des Interviewers) "Nennt doch bitte wenigstens eine Band!"

Redaktion: Hast Du Dich immer als Underdog in den USA gesehen, da Du ursprünglich aus Kuba kommst?

Roger: Ich komme zwar aus Kuba, also aus einem kommunistischen Regime, fühle mich aber nicht als Underdog, da die Staaten sehr viele Nationalitäten verschmelzen. Es gibt dort viele Kubaner, Puerto Ricaner, Afrikaner und so. Ich denke sogar, dass die einzige Minderheit dort in Form der weissen Amerikaner besteht, da alle anderen Volksgruppen extrem groß sind. Also, wie Jimmy schon sagte, ist es ein großartiges Land, in dem Du alles bekommst, was Du haben willst. Aber die Regierung ist scheiße und darüber reden wir, wenn wir auf der Bühne sind.

Redaktion: Gibt's immer noch ein Gewalt-Problem bei Hardcore-Gigs in den USA? Ich hab' gehört, dass es schwer ist, eine Location in New York zu finden, da niemand diese Shows organisieren will.

Roger: Das ist so nicht ganz richtig. New York hatte einen kleinen, einen mittleren und einen großen Club. Der mittlere Club "Connie On A High" (oder so..) hat zugemacht. Darin liegt das Problem.

Jimmy: Die ganzen reichen Businessmen sind in diese Gegend gezogen und wollten nicht, dass Skins und Punks vor dem Club, also in ihrer Nähe, abhängen. Die Leute haben nämlich gute 200.000$ für ihr Apartment gezahlt und die Regierung unter Druck gesetzt. Dann hat Gulliani (der Bürgermeister von NYC, der Tipper) die Clubs dicht gemacht. In Queens ist das genauso passiert wie in Manhatten und Long Island.

Redaktion: Was ist eigentlich mit Deiner zweiten Band LADY LUCK los?

Roger: Oh, es läuft gut. Ich bin glücklick. Bald werden wir 'ne Platte aufnehmen, die von unserem Soundmann (der Kerl, der den AF - Livesound macht, der Tipper) produziert wird. Wir waren noch letzte Woche zusammen proben und haben die besten Tracks unserer Bandgeschichte geschrieben. Im Januar oder Februar werden wir die Sachen dann aufnehmen und später übers Internet vertreiben. Ich verbringe halt viel Zeit mit AGNOSTIC FRONT und hab' nicht so viel Freiraum. Die anderen LADY LUCK - Leute sehen das natürlich ein bißchen anders, aber wir wollen wie eine richtige Band zusammenspielen. Letzendlich akzeptieren sie meine Ansichten, da ich mit dem Gitarristen sehr gute Songs komponiere. Da wollen sie dann natürlich keine anderen Bassisten suchen. Wir sind aber glücklich zusammen.

Redaktion: Aber AGNOSTIC FRONT bleibt die Hauptband?

Roger: Ja, denn mit LADY LUCK bin ich erst seit vier Jahren beschäftigt, eine richtige Band kann man das erst seit 1 bis 1,5 Jahren nennen. Ich bin halt immer unterwegs, aber trotzdem werden wir was veröffentlichen, weil jeder uns nach 'ner Platte fragt. Ich stehe schon mit einem dänischen Label in Kontakt, das die Scheibe hier in Europa rausbringen will.

Redaktion: Nochmal zu AGNOSTIC FRONT und dem neuen Album: Hat Lars von RANCID als Produzent Euren Sound in Richtung Punkrock gelenkt?

Roger: Nein, ich denke nicht. Lars ist zwar ein großartiger Produzent, aber die Songs waren schon geschrieben, bevor er ins Studio kam. Das Tolle an ihm ist, das er den individuellen Charakter des Songs nimmt und ihn in das Gesamtbild einfügt. Das macht er wunderbar. Lars hat uns aber bei den Songs "Riot Riot Upstart" und "Sickness" im Songwriting beeinflußt, obwohl die Sachen schon von Jimmy geschrieben waren. Lars hat dann letzendlich noch ein bißchen nachgeholfen.

Redaktion: Ihr habt beide verdammt viele Tattoos. Bedeutet jedes einzelne Tattoo etwas spezielles für Euch?

Roger: Natürlich, wir würden keine Tattoos haben, wenn sie nichts bedeuten würden. Das ist nicht so wie Heutzutage, wo man sich ein Tattoo nach dem anderen machen läßt, um cool zu wirken.

Redaktion: Viele Leute lassen sich die Dinger ja nur machen, weils eben cool und trendy ist.

Roger: Ja, heutzutage ist es wie alles andere trendy. Das ist aber nicht falsch, denn irgendwann wird alles zum Trend. Aber als wir unsere Tattos machen ließen, war es kein Trend, alle Leute haben dich blöd angemacht, wenn du die Straße langgelaufen bist. Heute sagt man eben: "Oh, A Nice Tattoo."

Jimmy: Wenn du heute ohne ein Tattoo in einen Club gehst, dann bist du nicht ok.

Roger: Wenn du normal angezogen in einen Punkclub gehst, bist du der wahre Punkrocker. Zieh' Anzug und Krawatte an und jeder wird dich angucken. Das ist dann der richtige Punk.

Redaktion: Was passiert bei Euch im nächsten Jahr?

Roger: Wir kommen wieder, um ein paar Festivals hier zu spielen, wie z.B. das belgische "Holidays In The Sun"-Festival. Wir haben einiges zu tun, im Januar geht's nach Japan, dann Amerika und Europa, später Südamerika.

Redaktion: Wie sieht's mit der Warped Tour in Europa aus?

Roger: Wir werden die amerikanische Warped Tour spielen, die Verhandlungen laufen im Moment ganz gut. Aber hier wollen wir eigentlich nicht spielen, außer Kevin Lyman (der Warped Tour Organisator, der Tipper) sagt uns, das wir es machen sollen. Aber es ist anstregend genug, eine Warped Tour zu spielen.

Redaktion: Das war's. Danke, dass Ihr Zeit fürs Interview hattet.

Roger: Danke Dir.

Eingetragen von ns am 25.11.1999.

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