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Redaktion: Wie bist du in die Hardcoreszene gelangt?
Lou Koller: Es fing an, dass alle meine Freunde, besonders ältere Freunde, Rainbow, Black Sabbath und diesen klassischen Rock hörten. Aber das war irgendwie nicht meine Musik, obwohl ich z. B. Black Sabbath mochte. Dann bin ich über Motörhead und Venom zu Discharge gekommen und in die New York Szene gestolpert: Agnostic Front und die früheren Murphy's Law.
Redaktion: Was hat dir Hardcore und die Hardcorebewegung am Anfang bedeutet und was stellt es heute für dich da?
Lou Koller: Es ist eigentlich immer noch gleich. Am Anfang war es eine Sache, die mir passte und es war ein so gutes Gefühl andere Kids mit gleichen Idealen kennenzulernen. Damals dachte ich allerdings noch, die Welt verändern zu können - heute weiss ich, dass es nicht geht, man kann sich nur selber verbessern, das habe ich dabei gelernt.
Redaktion: Bands wie Agnostic Front oder Warzone hatten auf ihren ersten Alben einige patriotistische Textstellen und amerikanische Flaggen auf dem Cover. Was denkst du darüber?
Lou Koller: Ich denke, sie lieben die Amerikanische Idee: Es sollte das Land der Freiheit sein. Aber wenn du mit ihnen redest, dann sagen sie auch, dass sie damals schon wussten, dass die Regierung im Arsch war. Und das sich die Dinge in Amerika nur ums Geldmachen drehen. Deshalb hatten wir auch niemals was mit diesem Zeug zu tun. Wenn du nach Amerika fährst, siehst du, dass es ein wunderschönes Land mit tollen Städten wie New York ist, aber die Regierung ist Fucked Up!
Redaktion: Bist du stolz Amerikaner zu sein?
Lou Koller: Ich weiss es nicht - das ist schwierig zu sagen. Ich bin stolz auf manche Dinge, die Amerika erreicht hat, aber ne Menge davon ist verdammt hinterhältig und betrügerisch.
Redaktion: Auf dem "New York City Hardcore - The Way It Is" - Sampler sind SOIA zusammen auf einer Platte mit der Youth Defense League. Das ist eine Naziband mit faschistoider Einstellung.
Lou Koller: Das ist so eine Sache mit denen, denn wenn die in New York sind, erheben sie nicht den Anspruch "White Pride" oder "White Power" darzustellen, aber wenn sie ausserhalb New Yorks agieren, dann tun sie es doch.
Die New Yorker Szene war sehr gemischt, es gab so etwas genauso wie viele Puerto Ricanische oder schwarze Skinheads. In NYC war das schon sehr durcheinander.
Redaktion: Bist du persönlich von der britischen Oi-Musik und der Skinheadbewegung hauptbeeinflusst?
Lou Koller: Nein, nicht wirklich, das war nur ein kleiner Teil. Wir mögen es besonders wegen der Singalongs. Bands wie Sham 69 zum Beispiel. Aber die Faschosachen haben nichts mit uns zu tun. Ich kann nur sagen, dass ich deren Klamotten und Anzüge mag. Aber bei politischen Ideen sind wir mehr als alles andere dem Sozialismus zugewandt.
Redaktion: Eine Menge Leute sagen, dass Hardcore ohne Oi-Musik nicht existieren würde. Was sagst du dazu?
Lou Koller: Das stimmt überhaupt nicht. Hardcore ist mehr vom straighten Punk beeinflusst. Besonders der NY-Sound ist ein Mix aus kalifornischem Hardcore und englischen Sachen wie Discharge und GBH.
Redaktion: Lebst du eigentlich straight?
Lou Koller: Ja, mache ich. Peter und ich sind wahrscheinlich die straightesten.
Redaktion: Würdest du auch straight leben, wenn du nicht in der Hardcoreszene wärst?
Lou Koller: Ja, ich finde am Trinken nichts Spaßiges mehr. Als ich jünger war, habe ich mich einfach besoffen, um breit zu sein. Ich habe niemals Spass am Trinken gehabt, ich tat es nur, um breit zu sein.
Redaktion: "My Life" war der erste Song, den ihr aufgenommen habt. Du singst darüber, dass jeder dir sagt, was du zu erzählen und zu machen hast. Ist das nach all den Jahren immer noch das gleiche Problem?
Lou Koller: Nein, nicht wirklich. Ich habe damals hauptsächlich über Arbeit und Schule geschrieben. Die anderen Leuten haben uns gesagt, was wir miteinander machen sollten. Wir mussten einander zustimmen oder nicht zustimmen.
Redaktion: Im Lied "Call To Arms" geht es darum, einer Gruppe mit blinder Loyalität zu folgen. Gab es in deinem Leben eine Zeit, in der du in Versuchung gerietst, jemandem blind zu folgen, vielleicht politischen Richtungen?
Lou Koller: Keinen politischen Gruppierungen, aber wahrscheinlich bestimmten Szenen, wo man drin war und alle das gleiche machten. Das ist genau wie mit dem Trinken: alle meine Freunde haben getrunken und ich habe mitgetrunken, um rumzuhängen. So ne Sache ist das.
Redaktion: Seit ein paar Jahren bist du Vater eines Sohnes. Hat dir die Geburt gezeigt, dass es noch andere Dinge im Leben ausser Musik und Hardcore gibt?
Lou Koller: Ich habe schon immer gewusst, dass es im Leben mehr als Hardcore gibt. Aber ich liebe es immer noch und mein Sohn auch. Aber vielleicht denke ich jetzt politischer, wenn es z. B. darum geht, ihn an einer Schule einzuschreiben - und wie beschissen die Schulen in Amerika sind, ausser man bezahlt ne Menge Kohle und bekommt dann ne gute Ausbildung. Das ist schon eine Schande, denn mein Sohn ist sehr intelligent, in der öffentlichen Schule ist er der Klassenprimus. Aber wenn du ihn dann in ein Förderungsprogramm stecken willst, kostet das verdammt viel Geld. Das ist die Scheisse an diesem System.
Redaktion: Was würdest du machen, wenn dein Sohn im Teenageralter wäre und dir sagt, dass er kein Bock mehr auf Schule hat, in einer Band spielen will und von Tag zu Tag leben möchte?
Lou Koller: (lacht) Dann schlag ich mitten in die Fresse! - Nein, wahrscheinlich würde ich mich mit ihm zusammensetzen und mit ihm darüber reden, was er wirklich machen will. Wie schon gesagt, ist er ein intelligentes Kind und wird sein Leben nicht verschwenden - hoffe ich zumindest! Aber wenn er nicht mehr zu Schule geht, ist er klug genug, um im Leben gut durchzukommen. Er ist erst sechs, und schon so clever!
Redaktion: SOIA sind normalerweise eine Stagediveband, die auf der Bühne zusammen mit den Leuten singt. Wie macht ihr das, wenn ihr auf Festivals eine verfickt grosse Distanz zwischen Publikum und Bühne habt?
Lou Koller: Oh Gott, habt ihr die Absperrungen hier gesehen? Für uns ist das dann ganz anders. Wir schätzen es wirklich, dass unsere Fans trotzdem kommen, aber es ist auch, um den anderen Leuten zu zeigen, what Hardcore is about. Darum spielen wir Festivals.
Es ist aber auch härter, weil wir die Energie aus der Entfernung rüberbringen müssen. Deswegen müssen wir uns selber anstacheln, und nicht nur das Publikum. Da hilft es schon, wenn die Leute sich bewegen und rumspringen. Heute abend zum Beispiel wollten sie uns Kameras vor die Nase setzen, da haben wir "Nein" gesagt. Meinetwegen können sie an der Seite stehen, aber nicht in der Mitte. Ich will nicht, dass die Kids Geld dafür bezahlen, den Rücken eines Kameramanns zu sehen.
Redaktion: Die Security ist hier auch ziemlich abgefickt und gewalttätig.
Lou Koller: Das habe ich heute schon gesehen. Und da habe ich direkt unserem Roadmanager gesagt, dass er jemanden zu ihnen schicken soll, der ihnen Bescheid sagt! Wenn die Crowdsurfer ans Gitter kommen, sollten die sie nicht zurückschubsen, sondern runterheben und wieder gehen lassen. Das ist die beste Lösung.
Redaktion: Manchmal tourt ihr ja mit Metalbands. Dieses Jahr war es Slayer. Ist das Publikum da ganz anders als eure gewöhnliche Crowd?
Lou Koller: Ja, sehr. Von 4000 Leuten waren vielleicht 100 SOIA-Fans. Es gibt nur einen kleinen Teil der Slayerfans, der uns gut findet. Es war zwar eine gute Ehrfahrung, aber ich will das nicht noch einmal machen. Slayer ist eine Band, deren Fans man sich nur schwer nähern kann, aber ich denke, dass wir da einen guten Job gemacht haben, auch wenn es jeden Abend ein neuer Kampf war.
Redaktion: Welche Musik hörst du dir denn zu Hause an?
Lou Koller: Hauptsächlich höre ich Punk und Hardcore, aber ich mag auch andere Sachen, wie 50er- oder 60er-Jahre-Musik - Motown zum Beispiel. Das ist mal etwas anderes, zum Relaxen... Und sonst höre ich verdammt viele verschiedene Punkstile, auch ganz harte Sachen wie "Hatebreed" und Emo-Zeug: "Boy Sets Fire", "Hot Water Music" und "Get Up Kids". Mein absoluter Favorit ist im Moment aber eine Band aus New Jersey namens "Kid Dynamite". Klingt sehr wie "Gorilla Biscuits" - schnell und energisch!
Redaktion: Ich denke, dass euer neues Album das beste ist. Man kann es 50 Mal und öfter hören, es rockt immer wieder! Hört ihr euch manchmal eigentlich eure eigenen Platten an?
Lou Koller: Ja, wenn wir es machen, dann hören wir uns die Songs ganz genau an. Manchmal hören wir dann, dass wir die ein oder andere Stelle hätten besser spielen können.
Aber ich stimme dir zu, dass neue Album ist wirklich gut, weil es verschiedenartig ist. Jeder Song hat seine Identität.
Redaktion: Magst du es, Videos zu drehen?
Lou Koller: Ganz und gar nicht! A Real Pain In The Ass!
Redaktion: In einem Interview habe ich mal gelesen, dass du die Musik eurer Labelmates "Lagwagon" und "Hi-Standard" nicht magst.
Lou Koller: (lacht) Sie sind gute Musiker und schreiben grossartige Songs, die aber sehr locker sind. Wenn ich mir ein Punkrock-Album kaufe, dann erwarte ich etwas Bissiges, Aggressives! Aber sie haben haben gute Melodien.
Redaktion: Aber du kommst noch mit den Leuten von diesen Bands klar?
Lou Koller: Klar, diese Jungs sind grossartig. "Lagwagon" sind wirklich unglaubliche Kerle! Und die mögen unsere Musik ja auch nicht, aber wir kommen als Menschen aus. Mit "Hi-Standard" ist das so ziemlich die gleiche Sache. Als wir das erste Mal nach Japan kamen, waren sie noch nicht so gross und haben für uns die Show eröffnet. Und jetzt füllen sie in Japan ganze Stadien! Grossartige Leute, macht Spass mit ihnen abzuhängen.
Redaktion: Letzte Frage: Hast du schon das brandneue "Agnostic Front" Album gehört?
Lou Koller: Nein, bis jetzt noch nicht. Du denn?
Redaktion: Ja, es ist verdammt geil! Ok, das wars. Dankeschön, wir wünschen euch einen schönen Gig.
Lou Koller: Danke euch. Ich mir auch.
Eingetragen von ns am 29.08.1999.