Autobot - Total Mutiert

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Autobot - Total Mutiert

Label: Eigenproduktion
VÖ: 19. August 2010

06.11.2010 - Schon vor geraumer Zeit lag die CD “Total Mutiert“ von Autobot in meinem Briefkasten. Zuerst dachte ich, es handelt sich um eine der unzähligen Punkrockbands dieser Republik, die sich kaum von ihren Genre-Kollegen unterscheiden. Der Blick auf die Trackliste hat mich aber dann doch neugierig gemacht, denn zumindest handelt es sich um ein durchgängig deutschsprachiges Album, was im Punkrock-Bereich alles andere als selbstverständlich ist.
Als ich die Disc dann mal in den Rechner gelegt habe, um mir einen ersten Eindruck von der Musik zu verschaffen, war ich zunächst äußerst positiv überrascht. Denn bei Autobot handelt es sich um eine einzige Person, die keinen üblichen Punkrock spielt, sondern eher eine Art Liedermacher-Punkrock. Der Musiker hinter den Namen Autobot heißt Andrè Lux, war bereits in den Jahren 2001 bis 2005 in der Punkband “Kenner der Materie“ als Sänger unterwegs und ist, wie man es am Namen des Solo-Projektes schon merkt, ein Kind der 80er Jahre. In seiner Freizeit macht er Musik und das was er fabriziert macht ihm hörbar Spaß und genau diese Freude überträgt sich auch auf den Konsumenten.

Zu hören bekommt man sehr minimalistisch eine Gitarre und Andrè Lux in Form des Autobots. Die Musik geht gut nach vorne und ebenso gut ins Ohr, denn Lux schafft es, die Lieder mit vielen eingängigen Melodien zu garnieren. Hinzu kommen zahlreiche kleine Geschichten, die in meinen Augen in Verbindung mit einer Menge Humor, Ironie, Nonsens und Sozialkritik und immer wieder aktuelle zeitgeschichtliche Themen das eigentliche Erfolgsrezept dieses Albums bzw. des Projektes Autobot ausmachen. So gibt es durchgängig Songs, die süchtig machen und durch ihren Humor, ihren Sound oder ihrer Geschichten den Hörer bei jedem Durchgang aufs neue Fesseln.
Mit “A.U.T.O.B.O.T“ kriegt man direkt zu Beginn einen Selbstbeweihräucherungssong zu hören, der vergeblich, absolut unschlüssig und mit einem großen Augenzwinkern den Hörern versucht zu erklären für was die einzelnen Buchstaben des Namens stehen (“Ein B steht hier für blanlos, denn das schreibt man mit P“). Weiter geht es mit den Titel “Geiler Kumpel“, der allein schon durch die Melodie und den Refrain (“er ist der Megauebertierischgeileoberueberkumpel“) einfach gute Laune verbreitet und aufgrund des Textes (“er drückt dir gern die Pickel aus, selbst das mächtigste Furunkel“) ebenfalls für ein leichtes Grinsen während des Mitwippens sorgt. Song drei legt auch gleich noch einen drauf. Der Titel heißt “What Happens In Neubulach“ und erzählt vom Alltag im Luftkurort Neubulach (“What Happens In Neubulach, Stays In Neubulach, hier kannst Du drauf scheißen!“). Aufgrund der ebenso einfachen wie genialen Melodie geht der Song direkt ins Ohr und wer Neubulach nicht kennt wird mit Sicherheit ein Äquivalent dazu im Kopf haben. Weiter geht es mit den Titeln “Frank fürchtet sich vor allem“, “Wohngemeinschaft“, “Danke, danke Internet“, “Achtung Pedalo-Crew“, “Wie langweilig du bist“, “Total mutiert und aggro au Michelle“ sowie der Live-Titel “Der alte Held er ist zurück“. Die Songs “Wohngemeinschaft“ (“Wohngemeinschaft, Wohngemeinschaft, peinlich, peinlich, nackt im Flur, Wohngemeinschaft, Wohngemeinschaft, alter es ist sieben Uhr!“) und “Danke, danke, Internet“ (“Alte Frau schlägt alten Mann, danke, danke Internet! Affen scheißen Affen an, danke, danke Internet“) werden wohl den meisten Hörern am meisten im Gedächtnis bleiben und sind ein wunderbare Beispiel von der genialen Mischung aus Zeitgeist, Sozialkritik und Nonsens, die Autobot immer wieder in herrlich schräger Form aufs Korn nimmt.

Alle diese Titel haben absoluten Kultcharakter und werden jeden gefallen, der einfache, ehrliche, eingängige und Handgemachte Songs mag. Ich persönlich hatte bei den ersten Durchläufen den Eindruck, dass das Album nach den ersten drei- bis vier Titel nachlässt. Nach einer längeren Pause und einem dazugehörigen Umzuges habe ich mir die CD jetzt endlich wieder eingelegt, um die Euch vorliegende Rezension zu verfassen und habe “Total Mutiert“ direkt fünf bis sieben Mal komplett angehört. Dabei habe ich gemerkt, dass das Album mit Ausnahme des Live-Titels (aufgrund der Qualität die leider nicht perfekt ist aber gerade deswegen auch einen gewissen Charme hat) durchgehend begeistern kann. Alle Songs machen unheimlich Spaß versprühen eine Menge gute Laune, wie man es seit den Abstürzenden Brieftauben nicht mehr um die Ohren gehauen bekommen hat und hinter dem, was man serviert bekommt, steht ein Musiker, der dies mit großer Freude und mit einer Menge Leidenschaft erschaffen und dargebracht hat. Und was das wichtigste ist: Der Junge kann auch einigermaßen Singen und hat Charakter in der Stimme. Wäre dies nicht vorhanden, würden die Lieder in dieser Form nicht funktionieren.

Insgesamt kriegt man zehn Titel auf die Ohren, davon neun Studioaufnahmen und den eben erwähnten Live-Mitschnitt. Das Album hat insgesamt eine Gesamtspielzeit von leider nur knapp 21 Minuten, die wie im Flug vergehen, aber die man sich immer und immer wieder ohne Durchhänger anhören kann.
“Totel Mutiert“ wurde im Presswerk professionell hergestellt, wird in einer Digipak-Verpackung angeliefert und wurde vom Künstler selbst produziert. Geschmückt wird diese von Zeichnungen im Comic-Stil die passend sind und auch etwas fürs Auge bieten. Wiederholungen der Zeichnungen wie es sie so oft Gibt (Cover und CD-Label beispielsweise) gibt es nicht, was sehr angenehm ist. Leider fällt das Beiheft dafür etwas Mager aus. Es umfasst vier Seiten und darin sind lediglich drei der zehn Songtexte abgedruckt, dafür ein Bild von Andrè Lux sowie ein paar Daten zur Musik und zum Album. Auf diesen vier Seiten entdeckt man als Ausgleich für den mageren Inhalt wieder ein paar Dinge, die zum Grinsen einladen.
Etwas ganz besonderes ist die eigentliche CD. Während die Unterseite eine rote Fläche hat (sonst kennt man eigentlich nur die schwarzen Unterseiten diverser Veröffentlichungen) ist die Oberfläche unbedruckt, also silbern gehalten. Das hat die Folge dass man zuerst meinen könnte, dass die CD falsch herum in der Halterung liegt und man sie zuerst auch entsprechend falsch herum in den CD-Spieler legt.

Alles in allem ist hier Autobot ein Hammer Album gelungen, das leider eine geringe Laufzeit hat, dafür aber auf ganzer Linie überzeugen kann, soweit man diese Art von Musik mag. Dass immer mehr Künstler im Punkrock-Bereich zur Klampfe greifen und Akustisch einen abrocken begrüße ich sehr. Autobot ist ein weiteres individuelles Beispiel dafür, dass Musik in dieser minimalistischen Form auf ganzer Linie überzeugen kann. Die Titel gehen durch die Bank gut ins Ohr und erweisen sich als Musik-Entertainment in ihrer besten und zugleich einfachsten Form. Bereits jetzt kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass auf diesem Album so manche Titel enthalten sind, die sich auf langer Sicht zu Klassikern entwickeln werden.

Damit sich jeder selbst einen Eindruck von der Musik machen kann, hier ein YouTube-Video von Autobot zum Song “Danke, danke, Internet“. Leider ist die tolle “Danger Mouse“-Mütze kaum zu sehen.

Autobot - Danke, danke, Internet

(sk)

Unsere Bewertung:

5 / 5 Punkte

5 / 5 Punkte

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