De Heideroosjes

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De Heideroosjes

Redaktion: Erzähl' uns was über die Anfänge der "Heideroosjes"!

Marco Roelofs: "De Heideroosjes" wurden vor 10 Jahren, also 1989, gegründet. Wir waren damals 15 und spielen seitdem in der selben Besetzung. Ich war derjenige, der auf Punkrock und Hardcore abgefahren ist, wobei unser Gitarrist Frank sehr viel Metal hörte und Igor, unser Drummer, hörte hauptsächlich "Queen" (lacht).

Redaktion: (lachen auch)

Marco Roelofs: ...unser Bassist Fred war ein richtiger Rock 'n' Roll Fan: "Iggy Pop and the Stooges" und so'n Zeug. Das waren also die Bands, die uns beeinflusst haben. Am Anfang war es ein zusammengewürfelter Haufen, der erst über die Jahre zum Punkrock hin reifte - musikalisch und textlich gesehen. Bis jetzt haben wir also sechs Alben veröffentlicht, zwei davon für Epitaph und in Holland und Belgien läuft es für uns sehr gut, so dass wir sogar die grossen Festivals wie Dynamo und Pinkpop spielen. Aber sobald wir in Deutschland, Spanien und in der Schweiz spielen, treten wir in ganz kleinen Clubs auf, wie z. B. das Sonic in Velbert - es sind verschiedene Welten. In Holland spielen wir in ausverkauften Clubs - 600-700 Leute, das ist schon sehr cool! Morgen spielen wir in Holland vor 600 Leuten und heute sind es vielleicht 100. Das ist schon kurios...

Redaktion: Ihr habt auch schon öfter mit der "Terrorgruppe" zusammen gespielt, oder?

Marco Roelofs: Ja, letztes Jahr haben wir hier in Deutschland acht, neun Gigs mit ihnen gemacht und jetzt nehmen wir sie in Holland mit auf Tour.

Redaktion: Ich habe gelesen, dass ihr in Holland so gross seid, wie "Die Toten Hosen" hier in Deutschland. Stimmt das?

Marco Roelofs: Ja...Deutschland ist natürlich viel grösser als Holland, so dass wir nicht in Stadien spielen, wie die "Hosen" in Deutschland. Im Punkrockbereich sind wir schon relativ gross - wobei ich mir nicht sicher bin, ob die "Hosen" noch Punkrock sind, oder nicht. Aber es stimmt schon, dass wir in Holland die einzige Punkrockband sind, die in den Charts und im Radio, sowie im TV gespielt werden, and all that rockstar bullshit...

Redaktion: Ich habe euer Video schon auf MTV gesehen. Seid ihr da öfter?

Marco Roelofs: Oh ja? (verwundert) Keine Ahnung... Ich mag es, wenn wir auf MTV gespielt werden, nur eigentlich kümmere ich mich darum gar nicht - mir ist es einfach egal. Ich mache Musik um live zu spielen und finde es auch ganz spassig, wenn wir auf MTV oder so gespielt werden, aber im Grunde genommen ist es mir egal! Die meiste Zeit spielen die da ja eh nur Mist, aber manchmal auch was Ordentliches - aber hauptsächlich nur Müll!

Redaktion: Wie sieht das bei euch mit dem Grösserwerden als Band aus? Werfen euch manche Leute Ausverkauf vor, wenn ihr auf MTV oder im kommerziellen Radio gesendet werdet? Ist das dann noch Punkrock?

Marco Roelofs: Es kommt darauf an, was du unter Punkrock verstehst. Für mich bedeutet Punkrock in erster Linie ehrlich zu dir selbst zu sein. Für uns wäre es das einfachste in Holland zu bleiben und da unsere Kohle zu machen. Aber wir wollen halt Shows spielen und so kommen wir nach Deutschland, auch wenn uns manchmal eben nur 30 Leute (remember Velbert, der Tipper) sehen wollen. In Holland haben wir volle Clubs und hier müssen wir dann nach dem Gig schon mal zwischen den Hunden auf dem Boden schlafen, oder bekommen nichts anständiges zu Essen. Das ist für mich persönlich Punkrock! Du kannst im nationalen Radio gespielt werden und trotzdem Punkrock sein. Es ist eine Sache der Einstellung, eine Lebenseinstellung. Es gibt immer Leute, die dir erzählen wollen: "Du bist in den Charts - jetzt bist du nicht mehr länger Punkrock. Fuck those people! Es ist besser, wenn die Kids Platten von "Heideroosjes"... "Lagwagon" oder z.B. den "Ramones" kaufen, als die Neue von den "Backstreet Boys". Ich finde es cool, wenn Punk
rock-Bands in den Charts sind.

Redaktion: Aber einige Bands verkaufen sich doch! Wie "The Offspring", die spielen bei "Top of the Pops" zusammen mit diesen Boygroups! Ich denke nicht, dass das noch cool ist. Ihr seid doch auch mit "Offspring" zusammen getourt?

Marco Roelofs: Ja, dazu kann ich nur sagen, dass "Offspring" wirklich nette Kerle sind, besonders Noodles: Nach den Gigs kam er zum Biertrinken zu uns in den Backstageraum. Er hat sich gar nicht wie ein Rockstar aufgeführt, obwohl das alles Millionäre sind.

Redaktion: Und du nicht?

Marco Roelofs: Nee!(lacht) Ich bin nur ein armer Bastard! Ich meine, die Jungs waren wirklich nett zu uns und jeder hat seine eigene Meinung zu diesem Thema. Kann schon sein, dass du recht hast. Ich kann nur die Leute selbst beurteilen und da respektiere ich sie in jedem Fall.

Redaktion: Kannten die euch denn schon vorher?

Marco Roelofs:Ja, sie haben unser "Smile... you're dying" Album gehört und da sie gerade einen Toursupport suchten, haben sie dann bei uns über Epitaph angefragt. Das fanden wir schon ziemlich cool. Dadurch haben wir neue Leute erreicht, jeden Abend spielten wir vor bis zu 4000 Menschen. Aber ich mag schon beides, ob es nun 50 Leute oder 50.000 wie beim Dynamo-Festival sind. Man muss die Leute überzeugen und da spielt die Anzahl keine Rolle.

Redaktion: Letztes Jahr habt ihr eure erste Scheibe auf Epitaph veöffentlicht. Wie kam der Kontakt zustande?

Marco Roelofs: Sie haben uns einfach angerufen! (lacht) Aber es lag schon daran, dass wir in Holland sehr bekannt waren und selbst wenn sich nur in Holland unsere Platten gut verkaufen würden, auch wenn keiner aus Resteuropa auch nur eine davon kaufen würde, selbst dann würden sie gutes Geld mit uns machen. Wir sind halt 'ne Punkband und Epitaph ist 'n Punklabel - und so passt das eben!

Redaktion: Wann seid ihr denn das erste Mal nach Deutschland gekommen?

Marco Roelofs: 1994 kamen wir das erste Mal hierhin und spielten in einigen besetzten Häusern. 1995 dann spielten wir auf der Release-Party von WIZO's Album "UUAAARGHH..." und im gleichen Jahr auch noch mit den "Toten Hosen" zusammen.

Redaktion: Jetzt zu einem ernsteren Thema: Ich habe in irgendeiner Zeitung gelesen, dass viele Holländer fast alle Deutschen immer noch für Nazis halten, ist das richtig?

Marco Roelofs: Ja, das stimmt schon. Es gab eine Umfrage unter holländischen Jugendlichen, die gefragt wurden, was sie von den Deutschen hielten. Und über 70% der Befragten antworteten: "Uhh, die fetten Deutschen und so." Als ich das las, dachte ich mir: "Oh, mein Gott!". Ihr müsst wissen, dass ich viele Freunde in Deutschland habe und daraufhin habe ich den "Wurst & Käse" Song gemacht, um eine Aussage zu dem Thema abzugeben. Es hat mit dem Krieg zu tun, Holland hat sehr unter ihm gelitten, da gerade in Amsterdam sehr viele Juden lebten. Manche Leute haben heute noch "Narben" aus dem Krieg und so wird diese Einstellung gegenüber Deutschen von Generation zu Generation weitergegeben. Selbst Leute in meinem Alter erzählen, dass sie Deutsche nicht mögen, obwohl sie noch nie einen Deutschen getroffen haben! Das sind alles Vorurteile. That sucks! Und deshalb habe ich dann den Song geschrieben...

Redaktion: Ist es nicht so, dass die Boulevardpresse diese Meinung sehr beeinflusst hat, bzw. mitkonstruiert hat?

Marco Roelofs:Nein, das stimmt nicht. Es wird einfach von Mensch zu Mensch weitergegeben und diese Meinung besteht eigentlich nur aus Vorurteilen. Aber die Situation wird eigentlich immer besser.

Redaktion: Welche Art von Publikum besucht eure Konzerte hier bzw. in Holland? Sind viele Punks und Skinheads auf euren Shows?

Marco Roelofs: Das ist schon sehr seltsam: In Holland haben wir einige Punks und Skinheads, aber auch sehr viele junge Kiddies und Metalheads. In Deutschland dagegen haben entweder einen ganzen Club voll Skater, wie es hier der Fall zu sein scheint, oder eben sehr viele Punks mit Iros und so. Hier ist es mehr das Punkrock Ding, wobei in Holland halt viele Leute zu unseren Gigs kommen, die auch andere Musik hören.

Redaktion: Wies sieht denn ind Holland das Image der Skinheads aus? In Deutschland halten viele Leute alle Skinheads für Faschisten, da sie nichts über die Tradition der Skinheads wissen.

Marco Roelofs: In Holland ist es absolut genauso. Es gab eine grosse Anzahl von rassistischen Skinheads, wobei der Anteil der Sharp-Skins, unpolitischen und linken Skins immer grösser wird. Da tut sich was. Ich selber habe auch mehrere nicht-rassistische Skinhead Freunde und es ist gut, dass diese Bewegen weiter wächst.

Redaktion: Was würdest du machen, wenn Rassisten auf einer eurer Show aufkreuzen?

Marco Roelofs: Wenn sie sich normal verhalten, würde ich nichts machen. Ich finde, dass jeder unsere Show besuchen darf. Ich mag Nazis nicht, aber wenn sie unser Konzert besuchen möchten, sollten sie auch die Möglichkeit dazu haben. Wenn ich sie rauswerfen würde, wäre ich ebenfalls ein Faschist, da ich sie auf Grund ihrer Meinung verurteile. Und das sollte ich nicht tun! Wenn sie aber mit solchen Sachen wie "Sieg heil!" anfangen, brechen wir das Konzert ab und werfen sie 'raus. Das ist schon einmal in Holland passiert, da haben wir die Show sofort abgebrochen. Das zeigt, wie dumm sie sind: Wir singen Lieder gegen Rassismus und sie kommen manchmal trotzdem! Als wir ihnen dann sagten, dass sie sich verpissen sollen, haben die dann unseren Bus kaputt gemacht.

Redaktion: Inwieweit habt ihr Kontakt zur Hardcoreszene? Ist jemand von euch sogar "Straight Edge"?

Marco Roelofs: Igor ist sXe, wobei er sich nicht selbst so nennt. Das hält er eher persönlich, aber er ist in diesem Bereich kein Hardliner. Er hört noch nicht einmal die dazugehörige Musik. Ich selber war vor einigen Jahren Mitglied der Hardcorescene und habe heute noch einige sXe Kumpels. Aber heute wird mir die Sache zu rechts-lastig, militaristisch und die sind immer gewaltbereiter, was mir gar nicht gefällt. Aber im Grunde genommen ist die Idee der Straight-Edge-Szene schon gut gewesen.

Redaktion: Ein anderes ernstes Thema ist euer neuer Song "Regular Day In Bosnia". Wann wurde dieser geschrieben?

Marco Roelofs: Ich habe ihn geschrieben, als wir eine Tour durch Bosnien gemacht haben. Da haben wir letztes Jahr etwa zehn Konzerte gespielt. Dieses Land ist immer noch total kaputt: Immer noch werden Häuser abgebrannt und es hat sich immer noch nichts geändert. Und da habe ich dann meine Eindrücke in dem Lied verarbeitet. Ich schreibe über alles, was mir ins Auge fällt.

Redaktion: Ich denke, dass die neue Platte "Shizo" melodischer als die alten klingt. Kannst du das bestätigen?

Marco Roelofs: Findest du? Ich weiss es nicht. Manche Leute sagen, dass es so sei und wieder andere meinen, es sei düsterer oder mehr Fun. Vielleicht ist sie wirklich melodischer, da wir hier mehrere Styles miteinander verquicken.

Redaktion: Einer der neuen Songs heisst "P.C.P.O.S.". Dieser Song handelt von politisch korrekten Leuten, die einem dann immer vorwerfen, dass dies und das nicht korrekt sei und man andere Dinge sagen sollte. Habt ihr oft Probleme mit solchen Leuten?

Marco Roelofs: Manchmal schon. Ich habe einige Ansichten, die sicherlich politisch korrekt sind, andere sind es wiederum nicht. Ich bin gegen jegliche Art von Rassismus und Sexismus, finde es aber cool, Spässe zu machen und das sollte schliesslich auch jedem erlaubt sein. Wenn ihr mich zum Beispiel "Käskopp" nennt (lacht), lache ich darüber, mir ist es egal! Aber manche Menschen sagen eben: "Das dürft ihr nicht tun!"

Redaktion: Und wo ziehst du die Grenze zwischen Spass und Ernst?

Marco Roelofs: Das ist immer das Schwere daran: Ich denke, dass sollte jeder für sich selber halten und wenn man merkt, dass der Andere nicht mehr lacht, sollte man lieber aufhören.

Redaktion: Habt ihr schon Pläne für die nähere Zukunft? Kommt ihr in diesem Jahr noch einmal nach Deutschland?

Marco Roelofs: Im Oktober/November planen wir eine Support-Tour für einen grossen Act zu machen. Leider werden wir auch vorher keine Festivals in Deutschland spielen, da es sehr schwierig ist, da hineinzukommen. Für einen grosse Booking-Agentur ist es einfacher ihre Bands da unterzubringen, als für einen kleine, wie unsere zum Beispiel. Die ist zwar sehr cool aber relativ klein.

Redaktion: Letze Frage: In Holland ist Fussball sehr beliebt. Interessierst du di...

Marco Roelofs: Nein! Absolut nicht! Ausserdem gibt es da in Holland noch ein spezielles Problem mit Hooligans und Gewalt im Stadion. Put all the hooligans in the stadium, let them beat each other, let them kill each other and then open the door and - you know, bury and burn them!

Redaktion: Das war's dann auch schon. Vielen Dank für das Interview und viel Spass beim Auftritt.

Eingetragen von ns am 17.05.1999.