Sondaschule - Von a bis b

Zurück zur Übersicht | Archiv Mai 2010 | Archiv 2010

Sondaschule - Von a bis b

Label: BMG Rights / Rough Trade
VÖ: 28. Mai 2010

28.05.2010 - Die Ruhrpott-Skapunker von der Sondaschule haben mittlerweile "Von A bis B" offenbar genug gelernt, um erwachsen zu werden. Denn musikalisch wird's auf dem vierten Longplayer ruhiger und etwas weniger bunt, textlich solider und ernsthafter, fast ohne Gossensprache, fast ohne Drogen, fast ohne Sex. Der durchgeknallte Achter um Sänger Costa Cannabis, der klarer abgemischt wird denn je, setzt damit den Trend fort, der sich schon auf dem Vorgängeralbum "Volle Kanne" abzeichnete. Aber kommt man auf diese Weise wirklich an jenes herausragende Werk und auch Klassiker aus dem Frühwerk heran?

Das darf bezweifelt werden, denn obwohl mit "Kleine Pillen", "Strand für mich", "Hängematte" und "Tanz!" durchaus Stücke vorhanden sind, an die man sich mit Freude erinnern wird, fehlt der ganz große Hit auf dem Album, und mit "Nur weil ich dich mag" und "Costa liebt dich" gibt's auf der Platte auch ein paar Durchhänger.

Aber der Reihe nach. Das Album beginnt mit einem Diss-Track. Nicht gegen einen Szene-Kollegen oder eine Pop-Queen, nein, mit "Herbert halt's Maul" gibt's (endlich...) mal einen Appell an Herbert Grönemeyer, uns doch künftig mit seinem Darmverschluss-Gesang zu verschonen. Solide gerockt, und - für einen gepflegten Diss nicht unbedingt typisch - erfreulich eloquent und diplomatisch, aber doch pointiert formuliert ("Dein Gesang geht unter die Haut, aber Fleischerhaken tun das auch").
"Kleine Pillen" gibt sich dann sozialkritisch, und auch wenn es einiger Sondaschul-Logikwindungen bedarf, um der Pharmaindustrie die Schuld für steigende Benzinpreis und die Armut auf der Welt in die Schuhe zu schieben, macht dieses Lied einfach Spaß.
Im "Lied für mich" verdeutlicht die Band dann allerdings, dass es ihr gar nicht darum geht, immer allen Spaß und es allen recht zu machen, sondern einfach ihr Ding durchzuziehen. Ist klar, hier nur vielleicht etwas breit ausgewälzt.
Der "Strand für mich" bringt dann aber doch wieder Spaß für alle, und selbst die Drohung "Ich komm mit Eimerchen und Sieb" kann uns, so charmant in ein verträumtes Poprock-Stück verpackt, nicht einschüchtern.
Verträumt und entspannt ist auch das "Wenn ich dich nicht haben kann, kriegt dich keiner mehr"-Mords-Liebeslied "Nie mehr Teilen". Die Mischung funktioniert. Schaurig-schön.
Nicht so doll klappt dagegen die ohnehin nicht ganz neue Idee, Songtexte mit der Auflistung lahmer deutscher Bands zu spicken, wie im als Pop/Ska-Liebeslied getarnten "Nur weil ich dich mag". Nach dem Muster "Denn nur mit dir kann ich im Juli echt schon Silbermonde sehn" quält sich der Text durch vier Minuten Spielzeit.
Bleibt man also lieber bei den Konzepten, die wirklich funktionieren - es folgt mit "Hängematte" eine weitere Strand-Träumerei, diesmal in bewährtem, gechilltem Ska. "Ich wünschte, ich wär Lotto-Millionär / Dann hätt ich Karomuster von meiner Hängematte am Arsch" - das hat Potential für den Sommer-Hit des Jahres. Vorausgesetzt, der Sommer kommt dieses Jahr überhaupt.
Mit ihrer ersten Single "Tanz!" gehen die genremäßig stets sehr experimentierfreudigen Sondaschüler dagegen völlig neue Wege. Die Streberinnen-Tanzaufforderung könnte auch von electro-geprägten Hip-Hoppern wie Deichkind oder vielleicht Fettes Brot, womöglich auch Seeed kommen, passt hier aber aufgrund seines unbeschwerten Charakters trotzdem wunderbar ins Bild.
"Costa liebt dich" kommt, punkig gefärbt, ebenfalls mit einem Electro-Touch daher, scheitert aber am voll und ganz auf die schlussendlich schwache End-Pointe ausgerichteten und ansonsten belanglosen Text.
Mit "Da hilft dir auch kein traurig", abermals mit Electro-Elementen, wird's carpe-diem-philosophisch. Ganz nett, aber dass ausgerechnet die fröhlichen Pfeif-Samples einem Lied das gewisse Etwas geben, sagt schon viel über es aus, selbst wenn es professionell gemacht ist (wie zweifellos der Rest des Albums auch).
Bei "Bis einer heult" wird über die Ellenbogen-Gesellschaft weiterphilosophiert. Guter Rocker mit Drive und Trompeten.
Den Abschluss des Albums bildet das schon 2008 veröffentlichte Alkoholiker-Kriminellen-Psychogramm "Tausche Alkoholsucht gegen Liebe", in der Fassung, in der es - nach Vorstellung der Sondaschule-Musiker - Italo-Western-Komponist Ennio Morricone umgesetzt hätte. Unangekündigter Test für Sondaschüler und solche, die es noch werden wollen: Warum ist das nicht übermäßig witzig oder zumindest ein interessanter Einfall? Weil schon da Original im Western-Style umgesetzt wurde - hier wurden nur Details umarrangiert.

"Von A bis B" wird den Fans der Sondaschule sicher einiges an Spiel, Spaß und Spannung bieten - und vielleicht erstmals auch einige der Skeptiker ansprechen, denen die Texte bislang zu pubertär, zu primitiv oder zu sinnbefreit waren. Wer aber gerade den derben Humor liebte, der wird hier nicht zwangsläufig glücklich werden. Der ganz große Wurf gelingt jedenfalls nicht, aber hinreichend nahe dran für einen Reinhörtipp ist es alle Mal. (ys)

Unsere Bewertung:

4 / 5 Punkte

4 / 5 Punkte

Möchtest Du Dich selbst überzeugen?

Jetzt kaufen

Mehr zum Thema

News

Reviews

Konzertberichte

Fotos

Interviews