Jeff Beck - Emotion And Commotion

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Jeff Beck - Emotion And Commotion

Label: Rhino
VÖ: 09. April 2010

19.04.2010 - Jeff Beck, der seit beinahe einem halben Jahrhundert aktive Gitarrengott und fünfmalige Grammy-Gewinner, lässt es seit einiger Zeit gemächlich angehen und schlägt auf den nur noch sporadisch veröffentlichten Soloalben leise Töne an. Dieses Mal sehr leise. Das seit sieben Jahren erste Studiowerk "Emotion & Commotion" ist kein Rock-Album. Keines zum Abgehen, zum Feiern und Tanzen, sondern eines zum am Kamin lauschen.

Bei vier der zehn Lieder wird Becks Gitarre nur von einem Orchester begleitet. Das bleibt auch dann prägend, wenn doch eine Rock-Instrumenten-Fraktion dazukommt, für die der Meister sich jede Menge namhafter Studiomusiker ins Boot geholt hat. Genannt seien die junge Jazz-Bassistin Tal Wilkenfeld und ihr Kollege Pino Palladino, dazu Vinnie Colaiuta (18 Mal Drummer of The Year des Modern Drummer Magazines), und der Orchester-Arrangeur Pete Murray (als Singer/Songwriter drei Nummer-Eins-Alben in Australien bei einem Gesamtwerk von drei Alben).
Einen zweiten Gitarristen neben Beck gibt es nicht, dafür geben sich drei Sängerinnen die Ehre, fünf der Lieder des sonst eher Instrumentalverliebten mit Gesang auszustatten. Zweimal beschränkt sich das auf ein sphärisches Raunen im Hintergrund des Soundteppichs, aber vor allem der zweifache Auftritt von Soul- und Bluesröhre Joss Stone verleiht dem Album etwas Power und Farbe - was ihm sonst fehlt. Stone hat auch dem Jazzpianisten Jason Rebello beim Schreiben eines der vier Lieder geholfen, die der zu dem Album beitrug, und bei denen er auch das Keyboard übernimmt. Bei zwei weiteren der Rebello-Kompositionen hat auch Beck selbst geholfen, die restlichen sechs Lieder sind Coverversionen.
Zweimal bedient Jeff Beck sich vom Erfolgsalbum "Grace" des Sänger/Songwriters Jeff Buckley, der seinerseits "Corpus Christi Carol" vom Komponisten Benjamin Britten und "Lilac Wine" aus dem Musical "Dance Me A Song" entliehen hat. Zweimal dienen Filmsoundtracks als Quelle - "Over The Rainbow" vom legendären "Der Zauberer von Oz" (1939), und "Elegy For Dunkirk" vom 2007er Drama "Abbitte". Das kürzlich über Castingshows und Werbespots in seiner Pop-Popularität beflügelte "Nessun Dorma" stammt aus der Oper "Turandot", "I Put A Spell On You" dagegen von der Blueslegende Screamin' Jay Hawkins (und ist laut der Rock and Roll Hall of Fame, deren Mitglied auch Jeff Beck gleich zweifach ist - mit den Yardbirds und solo -, einer der "500 Songs that Shaped Rock and Roll").
Im edel aufgemachten Booklet gibt's ein Vorwort von Produzent Steve Lipson (als Gitarrist u.a. für Paul McCartney, als Toningenieur für die Stones und als Produzent vor allem für "American Idol"), und zu jedem Lied ein paar Zeilen zur Entstehung von Jeff Beck.

Das Album beginnt mit dem als eher kurzes Intro ausgestalteten "Corpus Christi Carol" sehr ruhig, langsam und sphärisch, um dann nahtlos zu den fetten Wah-Wah-Riffs des einzigen Rockers des Albums, "Hammerhead", überzugehen. Unsterbliche Rock-Klassiker wie "Layla" von Becks Ex-Bandkollegen Eric Clapton oder "Kasmir" von Led Zeppelin lassen grüßen, die Gitarre im stark verzerrten Solo zu Luftgitarrenakrobatik anregen. Weltklasse, aber leider auch schon das Highlight des Albums. Es geht immerhin gefühlvoll schwelgend weiter, im Percussion-Jazz-Orchester-Gejamme "Never Alone" mag man mit der meisterhaft durch das Lied führenden Gitarre leiden, in "Over The Rainbow" ihr beim wahrhaften Singen, das Vibrato Judy Garlands imitierend, zuhören. Den Gesangspart gestaltet beim jazzig angehauchten "I Put A Spell On You" die menschliche Joss Stone interessant, ohne es dabei aber zu schaffen, so herrlich ergreifend wie die Gitarre zu klingen, wenngleich diese sich zunächst zurückhält. Danach wird's wieder sphärisch in "Serene", das nach einem schlichtweg lahmen Entspannungsmusik-Beginn tatsächlich auch mal etwas fröhlicher wird und erstmals auf dem Album Mitwipp-Potential bietet, zum Schluss abermals mit ergreifender, lauter Gitarre. Die "Ahh-Aaaaaah, uuh-huuuu"s der Opernsängerin Olivia Safe verschwinden dagegen im Hintergrund. Ganz anders Imelda May, die es in "Lilac Wine" schafft, mit ihrem rauchigen Gesang (man stelle sich verregnete Laternen in 50er-Jahre-Schwarzweiß-Filmen vor) ganz im Vordergrund zu stehen und die Musik, abgesehen von den Streichern und den Gitarrensoli, in weite Ferne zu verdrängen. Als Kontrastprogramm dient "Nessun Dorma", das vom Orchester vor allem am Ende imposant umgesetzt wird, abermals aber natürlich mit der Gitarre als mitreißendes Hauptinstrument. Danach gibt's wieder Gesang, und diesmal kann Joss Stone im von ihr mitgeschriebenen "There's No Other Me", dem poppigsten Stück auf dem Album, ihr ganzes Talent Beweisen und den Zuhörer voll in ihren Bann ziehen: zweiter und letzter Anspieltipp. Für ein langatmiges Ende sorgt dann "Elegy For Dunkirk", dem man seine Herkunft aus einer Schnulze überdeutlich anhört. Genau da würde man es auch wieder hinplatzieren wollen: Die Szene, in der er die Liebe seines Lebens zu Grabe trägt, etwa. Ergreifend mag das sein, bedrückend auch, aber jedenfalls kein geeigneter Abschluss für ein Hit-Album, gar ein Rock-Album.

Und da sind wir auch wieder am Kamin angelangt. Meine Eltern haben einen, aber sie sind wohl noch nicht alt genug, um ihn zu verwenden. Ich würde ihnen das Album nicht weiterempfehlen. Es ist technisch brillant gemacht, aber es lahmt fast durchgängig, auch wenn es seine Momente und Stärken hat. (ys)

Unsere Bewertung:

2 / 5 Punkte

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