Southside Festival - 20.06.2008 bis 22.06.2008 - Neuhausen ob Eck

Zurück zur Übersicht | Archiv Juni 2008 | Archiv 2008

Southside Festival - 20.06.2008 bis 22.06.2008 - Neuhausen ob Eck

11.06.2008 - Auch das Bestätigen von Klischees kann unter Umständen durchaus gute Atmosphäre schaffen - so gesehen beim diesjährigen Southside Festival. Von "Helga" über "Folgt dem Schirm", Trichtersaufen, Dosenstechen, Flitzer, gruslige Toiletten und fertige Zeltplätze bis hin zu fertigen Leuten war alles dabei.

Angelockt von hauptsächlich den ganz klein geschriebenen Bands gings schon am Donnerstag Mittag los, was Organisation, Anreise und Aufbau erheblich erleichterte. Die Mitzelter erwiesen sich als Volltreffer (u.a. Superheldenkostüme! Waren sogar auf der Titelseite der Lokalzeitschrift), die Nachbarn als erträglich: solides Fundament für ein gelungenes Festival. Nun also zu den Bands:

Tag 1:

Wrongkong
Hatten als erste Band natürlich einen schweren Stand, es klang aber ganz gut, was sie vom Stapel ließen. Disco-Indie-Rock, irgendsowas.

Die Mannequin
Das war eher was zum Zusehen als zum Zuhören: die Gitarristin, die bei einigen Herren durch pure Anwesenheit gute Stimmung verbreiten konnte, war eigentlich mehr am Turnen durch den Graben als am Gitarre spielen. Sehr fertige Rock'n'Roll-Show zu eher unspektakulärer Rockmusik, die von einem sehr "persönlichen" Plektrum-Wurf ins Publikum abgerundet wurde.

Elbow
Waren in meinem Konzept als Lückenbüßer gedacht und konnten nicht einmal diese Aufgabe erfüllen. Viel zu langsamer und höhepunktloser Pop.

Calexico
Ich kann mich erinnern, Calexico vor ewigen Jahren mal gehört zu haben, wenn auch nicht sehr lange. Jedenfalls konnten sie mich live nicht so recht überzeugen, obwohl ihre Musik theoretisch gut zum Wüstenklima gepasst hätte.

The Cribs
Mit den Cribs war die erste der Kernbands auf der Bühne, wegen denen ich aufs Southside gefahren bin. Auf CD fand ich ihren poppigen Indierock schon immer großartig, so waren die Erwartungen naturgemäß hoch. Leider war der Sound in der Zeltbühne nicht annähernd so gut, wie ich es mir gewünscht hätte. Auch bremsten die Cribs meine Euphorie mit einer eher durchwachsenen Songauswahl in der ersten Hälfte ihres Sets. In der zweiten Hälfte konnten sie mich jedoch sehr überzeugen, so wie auch den Rest der Leute im etwa halb vollen Zelt. Insgesamt aber eine leichte Enttäuschung.

Razorlight
Aufgrund der Nähe der großen Bühne, auf der Razorlight spielten, konnte ich mir einen kurzen Eindruck verschaffen, der aber so verheerend ausfiel, wie ich es im Vornherein vermutet hatte. Entsprechend dem Stil des neueren Albums wurde hier bleichgewaschener Pop-Rock mit Starallüren serviert, da kann man vom Debüt so viel halten wie man will, da ist die Luft ganz klar raus.

The Pigeon Detectives
Gleich im Anschluss an die Cribs waren die Pigeon Detectives im Zelt zu bewundern. Im Gegensatz zu den Cribs kann ich das Album der Detectives nicht am Stück anhören, da die Songs viel zu sehr aus einem Guss sind und schon ab dem 4. Track zu nerven anfangen. Anders aber live, wo sie aus meinen Augen zurecht das Zelt zum Kochen brachten. Da störte dann auch wenig, dass der Sänger beim Mikro-Herumschleudern selbiges ständig fallen ließ...

Black Rebel Motorcycle Club
Da einige meiner Leute von BRMC schwärmten, ließ ich mich dazu überzeugen, die Band auch anzusehen. Auch wenn ich ihre Musik jetzt immer noch nicht sonderlich mag, kann ich doch die Faszination für die höchst authentische, düstere Rockmusik des Trios nachvollziehen, die mich zumindest teilweise in ihren Bann ziehen konnte. Gute Wahl für ein Festival.

Tag 2:

Jennifer Rostock
Zu für Festival-Verhältnisse unmenschlicher Zeit stiegen Jennifer Rostock am Samstag Mittag auf die Bühne. Aufgrund der besonderen Faszination meiner Kumpanen für die Sängerin landete ich unvorbereitet in der zweiten Reihe. Ich bekam zwar nicht viel mit, weil ich bald Richtung Turbostaat weiterzog, doch schien mir die Leistung der Band recht solide zu sein, zumal ihr Stil sich zum Glück von ausgetretenen Deutschpoprock-Pfaden fernhielt.

Turbostaat
Wieder eine der Bands, wegen denen ich aufs Southside fuhr. Nachdem ich in München den Großteil des Konzerts verpasst hatte, traf ich diesmal früh genug ein. Die Turbos schienen ein wenig positiv überrascht von der Reaktion der Menge; für mich kam es weniger überraschend, da ich auf dem Festival mehr Leute in Turbostaat-Shirts als in irgendwas anderem gesehen hatte. Die Show der Fünf kam schön kraftvoll rüber und konnte überzeugen. Auch die Einlage mit dem Showgitarristen, der für die Zugabe (!) aus dem Publikum rekrutiert wurde, sorgte für Sympathie-Pluspunkte.

Enter Shikari
Obwohl es unsäglich heiss war und Enter Shikari nicht auf meiner Must-Liste standen, ließ ich mich in den abgesperrten Vorderbereich mitnehmen. Das führte zu einer der größeren Überraschungen auf dem Festival, denn die Band konnte mich, anders als auf Platte, restlos für sich gewinnen. Die Energie, die Enter Shikari auf der Bühne freiließ, sollte an diesem Wochenende nicht mehr getoppt werden, und das Publikum zog bei jeder Einlage des Electro-Emo-Quartetts mit (Graben ziehen, Circle Pit).

Deichkind
Ich hatte ja mit viel Andrang gerechnet, doch sprengten Deichkind eindeutig mein beschränktes Vorstellungsvermögen. Ich glaube nicht, dass bei irgendeinem anderen Konzert ähnlich viele Leute waren, und das alles nur wegen "Krawall und Remmidemmi", das entsprechend zweimal gespielt wurde. Aufgrund der Ermangelung an zu spielenden Instrumenten war der Fokus hier ganz klar auf Show, was durch die Helligkeit des ausklingenden Sonnenlichts klar erschwert wurde. So mussten die Herren mit Anhang in bunten Kostümen um riesige Accessoires herumhüpfen. Ich persönlich fand den Auftritt nicht so großartig, allgemein kam er aber sehr gut an.

NOFX
Mehr aus Nostalgiegründen als wegen irgendetwas anderem sah ich mir NOFX an. Die vier Herren um Fat Mike waren sichtlich gealtert, konnten aber trotzdem viel Druck erzeugen; Fat Mike garnierte die Show mit seinen (selbst-)ironischen Ansagen und Statements, die meiner Vermutung nach nicht alle im Publikum so richtig verstanden. Trotzdem eher eine positive Überraschung seitens der alten Punkrock-Legenden.

The Chemical Brothers
Für die Chemical Brothers war ich schlecht vorbereitet. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was für eine Art von elektronischer Musik sie darbieten und dass sie wohl sehr gut sind. Mit einem solchen Feuerwerk hatte ich aber nicht gerechnet: trotz der späten Uhrzeit brachten sie nicht nur mich, sondern auch unzählige andere zum pausenlosen Tanzen. Das Ganze wurde begleitet von einer höchst eindrucksvollen Lightshow... Wieder eine positive Überraschung.

Tag 3:
Does It Offend You, Yeah?
Dass die wichtigen Bands immer früh am Mittag spielen, schien eine Art Fluch zu sein, der sich bis zum letzten Tag fortsetzte. Jedenfalls quälte ich mich in brüllender Hitze quer durchs Festivalgelände und wurde mit dem besten Konzert des Southside belohnt. DIOYY waren zwar von der Bühnenshow her unspektakulär, lieferten aber zu früher Stunde ihrer auch auf CD großartigen Indie/Electro-Songs mit großer Hingabe ab und konnten das sehr gut gefüllte Zelt durchweg begeistern. So muss es sein!

Foals
Foals kamen gleich im Anschluss, hatten allerdings einen schwereren Stand, da ihr kompliziert verpackter Indierock weniger Leute sowohl zu physischer Anwesenheit als auch zum Tanzen bringen konnte. Ich fand ihr Set bis auf das gelegentliche Schleppen des jungen Herrn Schlagzeugers sehr gelungen, wenn auch nicht ganz so mitreissend wie das von DIOYY.

The (International) Noise Conspiracy
Auch an den Schweden von T(I)NC nagt erbarmungslos der Zahn der Zeit. Der Teil ihres Auftritts, den ich mit ansah, war zwar bemüht, aber ohne den Biss der alten Tage.

Operator Please
Während das gesamte Indie-Publikum bei den von mir nicht sonderlich geliebten Wombats war, sah ich mir im Zelt die extrem jungen Operator Please an. Der Schlagzeuger, der an dem Tag seinen 18. Geburtstag feierte, ließ mir regelmäßig die Kinnlade runterhängen: Wahnsinn, was der für eine Leistung hinlegte! Respekt gebührt natürlich auch dem Rest der Band. Wer in dem Alter trotz vollem Tourplan so sympathisch und unverbraucht rüberkommt, der wirds sicherlich noch länger im Showgeschäft mitmachen; zumal die Musik hier keineswegs auf den Rücksitz verbannt wird, um Platz für Show und Hype zu machen. Von dieser Band werden wir bestimmt noch viel hören.

Millencolin
Etwas orientierungslos landete ich schließlich auf der Wiese vor der Bühne, auf der Millencolin sich abmühten wie Rentner im Fitnessstudio. Obwohl sie vor 5 Jahren meine Lieblingsband waren, konnten sie mich nicht so recht überzeugen. Da wäre vielleicht auch mal aufhören angesagt, bevor es peinlich wird.

The Subways
Etwas ungünstig lag für die Subways der Termin des Festivals. Da das zweite Album erst in der Woche danach erscheinen sollte, wollte das Publikum natürlich eher keinen einzigen der neuen, noch unbekannten, Songs hören; die Band bemühte sich mit ansehnlichem Erfolg, den drei Jahre alten Schuh von "Rock'n'Roll Queen" bis "Mary" usw runterzuspielen, ohne dass es genervt aussah. Mir wurde es jedoch nach wenigen Liedern zu anstrengend, zumal weit und breit kein Stück Schatten zu sehen war.

Rise Against
Auf der Flucht vor den Subways landete ich dann bei Rise Against, die mir zur Zeit unerklärlicherweise auf die Nerven gehen. Jedenfalls hatten sie damit im Vorneherein schon schlechte Karten und konnten mich nicht länger als 5 Minuten in Sichtweite halten.

Digitalism
Das letzte Konzert des Southside, das ich mir freiwillig ansah, war der Auftritt von Digitalism im Zelt. Nach einer zünftigen Verspätung aufgrund der nicht perfekt funktionierenden Lichtanlage wurde die Menge für ihr Warten mehr als belohnt. Obwohl ich mich durchaus nicht als Fan der beiden Herren bezeichnen würde und nicht mehr als die üblichen Songs kannte, ließ ich mich von der guten Stimmung mitreissen. Seither sehe ich den Hype um das Electro-Duo doch als angebracht an. Also wieder eine positive Überraschung...

Foo Fighters
...im Gegensatz zu den Foo Fighters. Die waren genauso uninteressant und substanzlos, wie ich sie mir vorgestellt habe. Die Menge ging natürlich trotzdem ab.


Fazit:
Viele Positiv-Überraschungen, wenige Dämpfer, viele im Voraus enttarnte Enttäuschungen. Insgesamt ein sehr gelungenes Festival mit allem drum und dran.

Ranking für erwähnenswerte, sehr gute Konzerte:
1. Does It Offend You, Yeah?
2. The Chemical Brothers
3. Enter Shikari
4. Turbostaat
5. The Pigeon Detectives
6. Foals
7. Digitalism
8. Operator Please (ab)

Mehr zum Thema

News

Reviews

Konzertberichte

Fotos