Rock’n’Ink Tattoo Festival - 18.05.2012 bis 20.05.2012 - Chemnitz, Messehalle

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Rock’n’Ink Tattoo Festival - 18.05.2012 bis 20.05.2012 - Chemnitz, Messehalle

22.05.2012 - Es ist Mai. So langsam macht sich der Sommer bereit, unsere Haut zu verbrennen und uns den Schweiß auf den Körper zu treiben. Und hey, sogar in Chemnitz ist er mittlerweile eingekehrt. Kein Regen? Wahnsinn! Aber irgendwas fehlt, doch nur was? Genau, die Festivals! Damit sich die Tattooverrückten sich nicht allzu sehr ihre Tattoos bleichen, findet das Rock’n’Ink jedoch – wie jedes Jahr – in der riesigen Messehalle, Chemnitz statt und das bereits zum dritten Mal!
Freitag. Ab 16 Uhr wurde uns Einlass gewährt, jedoch legte, im Gegensatz zum letzten Jahr, die erste Band erst kurz vor 6 los. Matt Voodoo, zu hören auf dem letzten Mad Sin Album „Burn And Rise“ machte den Anfang und stimmte, nur mit Akustikgitarre bewaffnet die Meute vor der Dynamite Stage (der kleinen Bühne) auf das ein, was noch kommen sollte. Nach diesem ruhigen Einstieg ging es dann auf der Hauptbühne mit der nächsten Band in die Vollen. Und sie hörte auf den Namen: Lousy. Insgesamt ein absolut passender Einstieg, tummeln sich die Chemnitzer Lokalmatadore doch schon eine ganze Zeit in der Szene. Die mit einem Brachialsänger ausgestattete Punkband machte auch gleich eines deutlich: Der Sound sollte am gesamten Wochenende nicht das Gelbe vom Ei sein, was sicherlich weniger an den Tontechnikern lag, die sonst ziemlich gute Arbeit abliefern, sondern vielmehr an den Gegebenheiten der Großraumhalle. Vielleicht lässt man sich da nächstes Jahr irgendwas an Dämmung, etc. einfallen? For our listening pleasure – die Zuschauer werden es euch danken! Sei’s drum, die Band legte gut los und vor der Bühne feierten auch schon ordentlich viele Leute ab. Das Problem des Zuschauermangels vor den Bühnen haben die Veranstalter anscheinend durch das Reduzieren der Bandanzahl erfolgreich in den Griff gekriegt.
Es folgten Black Raven auf der kleinen Bühne, die mit ihrem unaufgeregten Rockabilly, der auch auf jede Betriebsfeier gepasst hätte, mehr Randuntermalung als Zuschauermagnet waren. Muss ja auch nicht. Das Rock’n’Ink ist schließlich auch zum größten Teil eine Tattoomesse. So waren wieder zahlreiche Tätowierer aus aller Herrenländer anwesend und auch Shoppingstände für die Damen gab es reichlich. So konnten die Kerle dann in Ruhe die Bands gucken, haha. Auf der Hauptbühne spielten nun Toxpack, die mir richtig gut gefallen haben. Man sah den Herren die Spielfreude förmlich an und auch das Publikum – wieder zahlreich am Start – ging gut mit. Das erste Mal richtige Partystimmung – den Mitgrölrefrains sei Dank. Zum Abschluss entließen uns die Herren dann mit einem Medley aus Motörheads „Bomber“ und Rose Tattoos „Nice Boys Don’t Play Rock’n’Roll“ – sehr cool!
Thee Flanders, auf die ich mich im Vorfeld bereits gefreut hatte, machten sich derweil auf der kleinen Bühne bereit. Sonst eigentlich eine gute Live-Band, sollte während des gesamten Auftritts der Funke nicht wirklich überspringen. Wenig Leute vor der Bühne und viel zu leiser und verwaschener Sound. Eine Psychobillyband, bei der man den Kontrabass kaum hört? Nicht die letzte Band, die dem Sound zum Opfer fiel. Da konnte auch ein alter Onkelz Gassenhauer („Nie wieder“) nichts dran rütteln – sehr schade! Jetzt erstmal Ficken, dachten wir uns. Eben jenen leckeren Kirschlikör gab es draußen neben den obligatorischen Fressbuden zu erstehen. Lecker Zeug! Nach dieser kleinen Stärkung rockten The Carburetors mit ihrem waschechten Skandinavierrock auf der Hauptbühne und zerkloppten zum Finale ihres energiegeladenen Auftritts eine schöne Les Paul Gitarre. Wie könnt ihr nur?! Auf jeden Fall sehr effektvoll. Schaut euch die Jungs auf den kommenden Sommerfestivals ruhig mal an.
Nächster Schauplatz wieder die kleine Bühne. Ein überdimensionales Cocktailglas mit einer grünen Flüssigkeit gefüllt, die stark an Absinth erinnerte, wurde auf die Bühne gerollt. Was zum…? Ach ja, die Burlesque-Show. Auch immer so ein Kritikpunkt der letzten Jahre auf dem Rock’n’Ink. Dieses Jahr bot uns Roxy Diamond (übrigens die Frau von Matt Voodoo, s.o.) allerdings eine echt ansehnliche und vor allem feuchtfröhliche Show. Eine fast nackte Blondine zeigt ihre Reize und spritzt im Absinthglas sitzend mit grün gefärbtem Wasser durch die Gegend. Es hätte doch alles so schön sein können, wenn nicht andauernd die CD mit der Hintergrundmusik gesprungen wäre. Mein Gott, ich dachte, jeden Moment geht die Dame wutentbrannt von der Bühne, jedoch hat sie es tapfer durchgezogen und trotz technischer Probleme die Meute glücklich gemacht. Großes Kompliment, Roxy!

Nach einer etwas längeren Umbaupause, denn angeblich hatte es bei all dem Wasser einen Gitarrenverstärker zerstört, betraten die Psychobillyhelden Demented Are Go die (leider eben kleine) Bühne. Die sonst wirklichen großartigen Mannen um den herrlichen bekloppten Sparky mit seiner Reibeisenstimme brachten zwar eine Menge Leute vor die Bühne, Tanzeinlagen oder Ähnliches gab es allerdings nicht. Schon alleine das soll euch verdeutlichen, wie schwer das Gewicht des schlecht eingestellten Sounds sein kann. Verdammt schade! Dass es doch noch ein versöhnlicher Abend werden sollte, dafür sorgten die alten Oi! Helden The Business mit ihrem urenglischen Sound und ihrer rohen, aber äußerst sympathischen Art auf der Hauptbühne. Mann, hat das Spaß gemacht! Vorwiegend Skins vor der Bühne, die aber allesamt friedlich blieben und einen Hit nach dem anderen mitschmetterten als gäbe es kein Morgen mehr. Absolutes Highlight „Get Out Of My House“ und das von 4 Promille gecoverte „Drinking & Driving“ am Ende. Zum Glück haben uns die Engländer mit ihrem Hit “England 5 Germany 1” verschont – danke dafür, haha. Die Skins wissen eben, wie man feiert, was sich auch den nächsten Tag zeigen sollte. Es braucht eben nicht immer super komplexe Songstrukturen und Gefrickel. Gute Laune und jede Menge Power tun es eben auch! Ein schöner Abschluss des ersten Tages Rock’n’Ink 2012.

Samstag. Der zweite Tag des Festivals begann für uns verheißungsvoll mit Guns Of Moropolis, die mit ihrem Volbeatähnlichen Stil und gutem Sound vor der Bühne überzeugen konnten. Leider herrschte noch gähnende Leere im Publikum, aber die Jungs waren für mich sowas wie der Geheimtipp der drei Tage. Spielen übrigens auch u.a. auf dem With Full Force Festival. Geht mal hin und gebt euch das! Es sollte nun der ersten Tattoo Contest folgen, bei dem – wie im letzten Jahr – einige ausgewählte Tätowierer die Hautverschönerungen, die auf dem Festival entstanden sind, begutachten, bewerten und am Ende Preise raushauen. Das Ganze wurde von einem Moderatoren-Team begleitet, die auch schon am Vortag durch das Festival geführt haben. Wo letztes Jahr noch Lina Van De Mars noch ihre charmante Art hat spielen lassen, machten die beiden diesjährigen Moderatoren eher eine peinliche Figur. Mit unbeholfenen Sprüchen und gezwungener Komik machten sie nicht gerade den Eindruck, als hätten sie sonderlich viel Ahnung, wovon sie reden – bei den Bands jedenfalls. Wenn dann auch noch ein Teilnehmer beim Tattoo Contest mitten auf der Bühne wegen des Missfallens seines Biomechaniktattoos halb beleidigt wird, hört’s dann auch wirklich auf. Ansonsten geriet der Contest ebenso langatmig wie letztes Jahr. Hätte mich gefreut, wenn man noch parallel etwas für die Leute geboten hätte, die das Ganze jetzt nicht so sehr interessiert.

Egal. Kurz nach 9 betraten Reno Divorce die Bretter und wie auch schon vor zwei Jahren machten die Amis mächtig Lust und mehr und mehr Zuschauer fanden sich vor der Bühne ein. Mit ihrer Social Distortion-ähnlichen Attitüde und ihren eingängigen Punksongs bespaßten sie das noch recht verhaltene Publikum. Sogar brandneue Songs wurden geboten – da wird doch nicht etwa bald etwas Neues auf uns losgelassen? Beschweren würde ich mich jedenfalls nicht. Guter Auftritt von Brent Loveday & Co. Den Höhepunkt des Abends sollten uns allerdings abermals eine Oi! Band bescheren: Perkele aus Schweden. Und schon war ich wieder 15! Ungekünstelt und sympathisch wie eh und je spielten sie eine Hymne nach der anderen und die vorwiegend aus Skins bestehende Meute feierte eine nach der anderen mächtig ab. Chöre oder Chöre, Singalongs, verspritztes Bier, Pogo und wahnsinnig gute Stimmung! We all got a heart full of pride. Ich bin mir sicher, die Zuschauer haben auch die Band mächtig stolz gemacht. Die besten Songs sind sowieso die, die einem unwillkürlich ein breites Grinsen auf’s Gesicht zaubern. Meine Liebste habt ihr jedenfalls vollends verzückt!
Nun sollte es heftig werden – dachte man jedenfalls. Die Mad Saints legten eine Freakshow auf’s Parkett, doch was war das? Kleine Bühne? Alles ausgeleuchtet. Null Atmosphäre. Und ein Pärchen, das sich gegenseitig die Haken in die Haut steckte. Nach der grandiosen Show von 2010 blieben hier viele mit verdutzten Gesichtern zurück, die sich fragten: „War es das etwa schon?“ Ja, war es. Äußerst unspektakulär und ohne Wirkung auf mich.

Sonntag. Vor der Halle angekommen, merkte man schon: Heute ist ein etwas anderes Publikum am Start. Es sind eben nicht nur Greaser, Punker, Skins und Metaller, kurzum Alternative, die auf diese Art von Körperkunst stehen, sondern eben auch die Prollfraktion mitsamt ihren Tribals, Blümchen und Solariumseskapaden. Dass diese vorwiegend am Sonntag am Start waren, wundert auch nicht wirklich, standen doch Ex-Böhser Onkel Matt „Gonzo“ Roehr und Haudegen nebst einem Tattoomodellcontest auf dem Plan. Bei letzterem waren neben den Mädels mit ihren neofarbenen Fishnetstockings und weißen Cowboystiefeln auch echt ansehnliche Tattoodamen dabei, die teilweise auf so hohen Schuhen durch die Gegend stöckelten, dass es einem Angst und Bange wurde. War insgesamt – wie auch der zweite Tattoo Contest an diesem Tag – eine nette Nebenveranstaltung, aber alles in allem nicht so sehr meins. Die peinlichen und zum Teil unbeholfenen Moderatoren machten dies abermals nicht besser.
Nun aber wieder zurück zur Musik. Als alter Onkelzfan war ich extrem gespannt auf das, was folgte: Matt Gonzo Roehr. Der Gitarrenheld aus alten Tagen, der mich selbst überhaupt erst zur Gitarre gebracht hat. Mit seinen ersten beiden Soloalben (weit entfernt vom Sound der Onkelz) eher erfolg- und glücklos, schloss er sich mit „Blitz & Donner“ dem Strom der Post-Onkelz-Ära-Bands an und fährt damit wohl auch wieder etwas besser. Ich kann damit jedenfalls gar nichts mehr anfangen und leider schlug die Live-Show in dieselbe Kerbe. Mit wummerndem, undefiniertem Sound, rauher Brüllstimme und wüsten Songs lies filigrane Gitarrero von einst ein Set auf uns einprasseln, das den absoluten Negativhöhepunkt des Festivals darstellen sollte. Versteht mich nicht falsch, ich will hier alles andere als hetzen, aber was Gonzo & Band hier darbot, ist schon fast nicht mehr in Worte zu fassen. Vielleicht habe ich auch einfach zu hohe Erwartungen, ob der Onkelz-Zeiten, aber wer selbst alte Hits wie „Wir ham noch lange nicht genug“ und „Erinnerungen“ so verhunzt… mir fehlen die Worte. Einigen scheint es ja wirklich gefallen zu haben, aber in meinen CD-Spieler kommt bestimmt keine CD des Herren mehr. Schade eigentlich, haben mir noch die ungewöhnlichen „Barra da Tijuca“ und mit Abstrichen auch „Out Of The Great Depression“ recht gut gefallen.
Darauf erst einmal ein Bier! Die letzte Band des Abends sollten nun also auf den Namen Haudegen hören. Die optischen Wildecker Herzbuben des Deutschrock oder so. Da passt es ja auch, dass es momentan bei einer der größten Burger-Kette (die nicht gerade für Tierfreundlichkeit bekannt ist) den „McHaudegen“ gibt und einer der Herren kürzlich beim Promidinner war. Über diese Art von Promotion bildet ihr euch mal lieber selbst eine Meinung. Musikalisch kannte ich im Vorfeld nicht allzu viel, aber das Dargebotene hatte durchaus so eine Momente. Mit deutschem Rock irgendwo zwischen Frei.Wild und Unheilig schienen die Berliner ordentlich Spaß zu haben und die verbliebenen Zuschauer applaudierten brav. Mit der Zeit erschien mir jedoch der Schunkelfaktor und das Übermaß an Selbstbeweihräucherung doch etwas zu viel und vor allem etwas zu kalkuliert. Die beiden ExRapper scheinen wohl ihren Frieden gefunden zu haben? Vom Ostblock-Hooligan zum Mutmacher für Mittelständler und Vergessene. Das Konzept scheint jedenfalls prima aufzugehen.

Insgesamt war dies ein gelungener Abschluss eines Festivals, das hoffentlich noch lange in Chemnitz Bestand haben wird. Vielleicht nächstes Jahr auch wieder mit etwas mehr Ständen, Bands und besserem Sound sowie etwas größerer zweiter Bühne? Spätestens als ich dann draußen bei der Musik aus der Konserve „Black Velvet“ mit „Warriors Of The World“ verwechselte, worauf mich meine Freundin peinlicherweise aufmerksam machte, hieß es auch für uns: Auf Wiedersehen Rock’n’Ink. Danke an das Veranstalterteam, das Chemnitz ein Stück Alternativkultur einhaucht. (bp)

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