Silbermond, WIR - 19.12.2009 - Karlsruhe, Europahalle

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Silbermond, WIR - 19.12.2009 - Karlsruhe, Europahalle

21.12.2009 - "Gehst du mit zu Silbermond?" fragt mich ein Kumpel, dessen Begleitung kurzfristig abgesprungen ist. Die Band interessiert mich nicht im Ansatz, zumal ich vor Jahren schonmal beim Karlsruher Gratis-Open-Air Das Fest für einige Minuten reingehört und Musik wie Ansagen ("Ihr habt alle so schöne Regenschirme!") für luschig befunden hatte. Da ich aber jenen Freund trotz seines absonderlichen Musikgeschmacks nicht zum doppelten Eintrittspreis alleine gehen lassen wollte, bot ich ihm an, mitzugehen, falls sich niemand anderes fände. Es überraschte mich wenig, dass das eintrat - dafür überraschte mich das Konzert selbst um so mehr. Meine Erwartungen wären ziemlich sicher auch dann übertroffen worden, wenn ich welche gehabt hätte: Eine wahrhaft sehenswerte Show! Und weil's auch musikalisch wesentlich spannender war als befürchtet, habe ich mich ernsthaft dazu entschlossen, einen Silbermond-Konzertbericht für punkrocknews.de zu verfassen.

Den Abend eröffnen, entsprechend der Silbermond-Tradition, regionale Bands zu präsentieren, die drei Freiburger Pop-Rock-Jünglinge WIR. Nicht schlecht, aber auch nicht gut, und in Jugendzentren sicher besser aufgehoben als vor fast 10.000 Mann (wobei "Mann" hier eine eher weibliche Masse meint - Männer, die nicht als Begleitung mindestens eines weiblichen Gegenstücks da waren, konnte ich praktisch nicht ausmachen). Die nehmen die Band ganz gut an, bei mir hinterließ sie aber keinen Eindruck, den ich ohne die Verwendung von Begriffen wie "Gitarrenzwerg" niederschreiben könnte. Und da wusste ich ja auch noch nicht, dass ich ein Konzert-Review schreiben will...

Diese Idee kam auch bei Silbermond nicht gleich. Meine Skepsis bezüglich der Musik legte sich erst allmählich. Das Gebotene war tatsächlich solider Rock und fast nie (mit Ausnahme etwa des Feuerzeug-Stücks "Krieger des Lichts") die balladeske Seichtigkeit und Langeweile, mit der ich gerechnet hatte. Von der Pogotauglichkeit blieb man allerdings überwiegend trotzdem recht weit entfernt. Auch die Show brauchte einige Zeit, um sich zu steigern - dann aber gewaltig.
Als Intro fast ein ganzes Silbermond-Lied bei geschlossenem Vorhang: Uncool. Tänzer aus dem Publikum auf die Bühne holen: Okay, lass sie machen. La Ola, auch wenn diese in der Sporthalle mit einer gewissen Choreographie verbunden wird: Wenn's Spaß macht... Minutenlange, abschweifende Ansagen: Trotz des süßen Sarah-Kuttner-Humors der Sängerin Steffi verzichtbar, gerade wenn diese wie mit Kindern redet (auch wenn der Altersdurchschnitt wohl tatsächlich unter 20 lag). Die aufwändige, stimmige Videoshow erst mit dem Wegsprengen der Bühnendeko mitten im Konzert zu beginnen: Nicht schlecht. Ein ausgedehntes Bass-Solo-Stück: Respekt, hätte ich nicht erwartet. Dass Frontfrau Steffi und der Gitarrist sich währenddessen ins hintere Drittel der Halle auf die seitlichen Tribünen schleichen und dort mitten im Publikum ein Akustikstück (die an sich tendenziell lahme "Symphonie") zum Besten geben: Wow. Dass für das nächste Stück auch die anderen beiden Bandmitglieder nachkommen und Schlagzeuger Nowi mit Bewegungssensor-Sticks in der Luft rumtrommelt: Spektakulär! Dass Selbiger, trotz Heiserkeit und frisch abgebrochenem Zahn, auch singen und Gitarre spielen kann, selbst wenn's nur ein Akkord ist und er den Text vergisst: Witzig. Dass er dasselbe Lied in verschiedenen Versionen zweimal hintereinander spielt: Sehr witzig. Dass Steffi crowdsurft: Mutig. Mit "Nicht mein Problem" auch mal was mit politischer Message im Programm: Cool, zumal sich das funky Lied auch musikalisch abhebt. Dass die Instrumentenfraktion einmal komplett auf Percussions umsteigt und dabei im Dunkeln mit Leuchtsticks auch durchaus akrobatisch tätig wird: Schöne Abwechslung, die Blue Man Group wäre stolz. Dass die Band mich gerade doch mit einer schnulzigen Ballade ("Das Beste") endgültig gewinnt, und ich mir dabei wünsche, doch einer jener Männer zu sein, die ihre Partnerin und nicht irgendwelche Kumpels hier her begleiten: Mein Pech.

Die vier Sachsen, vertreten vor allem durch die sympathische und sehr präsente Massen-Entertainerin Steffi, haben Sinn für Show, Talent für Show und sichtbar Spaß an Show. Und an ihrem vielfach betonten Beinahe-Tour-Abschluss wohl einen guten Tag erwischt: Das Karlsruher Publikum bringt die Band zum Schmunzeln und die sonst so offene Steffi wiederholt zum verschüchterten Danken, als es nach manchen Liedern gar nicht mit dem Klatschen aufhören will. Wenn es auch mal singt, was aber selten vorkommt (nerviges Kreischen übrigens auch), tut es das mit einer weiblichen Stimme - interessantes Erlebnis. Silbermond danken den Fans die gute Stimmung mit einem fast zweieinhalbstündigen, wirklich unterhaltsamen Konzert. (ys)