The King Blues

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The King Blues

Redaktion: Hey Leute. Wie läuft die Tour mit den Broilers bisher so?

Itch: Es ist wirklich gut, wobei es ja mit den letzten beiden Shows mittlerweile auf das Ende zugeht. Es war wirklich aufregend für uns, weil es unser erster Mal überhaupt war, dass wir durch Deutschland und Europa getourt sind.

Redaktion: Gibt's irgendwelche lustigen Geschichten zu erzählen?

I: (lacht) Da gibt es viele. Ich bin nicht sicher, was ich so erzählen darf. Es war wirklich interessant. Die Broilers und die Crew waren allesamt super zu uns. Sie haben sich um uns gekümmert und waren wirklich nett. Es hat eine Menge Spaß gemacht!

Redaktion: Also habt Ihr ein gutes Verhältnis zu den Broilers?

I: Yeah. Eine wundervolle Liebe entwickelt sich. (lacht)

Redaktion: Habt Ihr sie vorher überhaupt gekannt?

I: In der Heimat bekommen wir von deutschem Punk gar nicht wirklich etwas mit. Das gibt's hier einfach nicht. Dass hier eine so große Szene existiert...davon wussten wir ehrlich gesagt gar nichts. Es war also cool, die Möglichkeit zu bekommen und mitzukriegen, was hier so abgeht und wie viele Leute darauf abgehen. Davon wussten wir echt gar nichts.

Redaktion: Haben sie Euch für den Toursupport ausgesucht oder ist das labelbedingt?

Jamie Jazz: Ich glaube, sie haben ein paar von unseren Songs gehört, die ihnen gefallen haben, also haben sie es uns angeboten. Es hat auch gut geklappt, denn zu diesem Zeitpunkt haben wir gerade nach einer Tour durch Europa gesucht. Wir kannten sie nicht wirklich, haben uns also mit der Band vertraut gemacht und dachten, dass das gut klappen könnte. Im Prinzip war das echt eine nette Sache von denen, uns zu fragen. Wir sind ihnen echt was schuldig dafür, dass sie uns hergebracht haben und uns die Erfahrung einer Europatour beschert haben. Wir haben viel Werbung gesehen, die sie für uns gemacht haben und den Online Kram. In der Hinsicht haben sie sich also auch super um uns gekümmert. Sie haben uns ihren Fans vorgestellt und sie dazu aufgefordert, sich unsere Musik anzuhören, bevor wir die Tour anfingen. Dabei haben sie auch wirklich nette Dinge über uns gesagt. Ich schätze, wir hatten generell immer Glück mit allen Bands, mit denen wir getourt sind. Wir hatten da nie große Probleme - OK, vielleicht eins oder zwei. Aber als eine große Headlinerband, die sie sind, waren sie wirklich nett zu uns - was ja auch nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Redaktion: Ich würde sagen, dass Ihr in Deutschland noch nicht allzu bekannt seid. Könnt Ihr uns eine kurze Beschreibung Eurer Musik geben?

I: Ich denke, wir versuchen musikalisch viele Einflüsse und verschiedene Stile mit aufzunehmen. Wir kommen aus der Punkszene, in die wir geboren wurden und aus der wir uns auch entwickelt haben. Aber trotzdem gibt es auch Hip Hop Einflüsse und viel Reggae in unserer Musik. Besonders mögen wir Bands wie The Clash oder Rage Against The Machine...einfach Protestmusik. Da geht es mehr darum, was die Bands zu sagen haben und nicht so sehr darum, wie sie klingen. Zu solchen Bands sehen wir auf und versuchen hoffentlich auch solch eine Band zu sein.

Redaktion: Euer neuer Longplayer "Punk & Poetry" beinhaltet sehr viele verschiedene Stile. Sind die Bands, die Du gesagt hast die Inspirationsquelle? Woher kommt generell die Inspiration?

I: Es gibt immer darum, eine eigene Stimme zu finden. Nie ist es unser Ziel, wie jemand anders zu klingen. Wir wollen einfach das nehmen, wovon wir denken, dass es Punkrock zu etwas Großartigem macht. Wir nehmen die Wut, die Kreativität, den jugendlichen Idealismus und bringen das ganze zu etwas Neuem, was es so noch nicht gegeben hat. Wir wollen unsere eigene Stimme, unsere eigenen Stil haben - das ist, was wir versuchen und ich denke, es gelingt uns auch.

Redaktion: Kennt und schätzt ihr überhaupt deutsche Bands?

I: Yeah, wir mögen jetzt die Broilers. Und wie hieß gleich diese andere Band?

J: Beatsteaks! Ich denke, die Beatsteaks sind unter anderem durch Compilations sehr bekannt in den UK geworden.

I: Wir kennen nicht so viele.

J: Als wir eines Tages eine Headline Show gespielt haben, trafen wir einen 15 und 16jährigen Typen, der von Birmingham nach Deutschland gezogen ist, weil er den dortigen Punk so liebte. Wir saßen in einer Bar und hörten uns Platten an, die wirklich gut klangen. Ich denke, wenn etwas Neues aus der Szene kommt, werden wir auf jeden Fall mal ein Ohr riskieren.

Redaktion: Wie war bisher die Resonanz in England?

I: Großartig. Es war aber auch ein sieben, achtjähriger stetiger Kampf. Haben es nicht wie viele Bands heuzutage gemacht. Die landen einen Hit und später hörst du nie wieder etwas von denen. Wir waren bei Major und Indie Labels, wurden aufgenommen, fallen gelassen, wieder aufgenommen... und haben es aber immer geschafft, weiterzumachen. Wir haben drei volle Touren durch UK gemacht, ehe wir überhaupt im Radio gespielt wurden. Wir haben es einfach oldschool gemacht. Und nun spielt es keine Rolle mehr, ob über uns geschrieben wird oder wir im Radio gespielt werden, denn es gibt genug Leute, die zu unseren Konzerten kommen und uns sehen wollen. Das gibt uns stellenweise einfach mehr Kontrolle und Selbstbestimmung. Wir können so ziemlich das machen, was wir wollen und das is eine dankbare Position, weißt du?

Redaktion: Wieso also seid Ihr "so fucking angry"?

I: Jedes Album, das wir rausbringen hat eine bestimmte Message und bei "Punk & Poetry" ist es, glaube ich, der große Spalt zwischen arm und reich zur Zeit. Den gab es schon immer, aber er wird immer größer und größer und hier ist nun eine gesamte Generation, die für die Fehler anderer bezahlen muss und es ist an der Zeit, dass diese Generation aufsteht. Ich denke auch, das kann man sehen. Alle kommen zusammen und werden wütend. Die Regierung versucht ihr Bestes, uns noch mehr zu separieren und uns selbst die Schuld in die Schuhe zu schieben, anstatt dass wir erkennen, dass die Probleme an der Spitze liegen. Und es ist an der Zeit, dass die Leute wütend werden. Ich meine, ok - du kannst auch schön an einem Samstag Abend rumsitzen, X-Faktor und Gehirnwäsche-TV gucken und ihr Scheiße jeden Tag mit Löffeln fressen. Du gehst zur Arbeit, kommst nach Hause und denkst über nichts anderes weiter nach. Das macht sie reich, aber dich hält das unten. Was für eine Scheiße! Und wenn sie wütend werden, dann ist das nicht unbedingt nur eine negative Sache. Wut kann dich lebendig machen, dazu führen, dass du deinen Arsch hochkriegst und das ist eine positive Sache. Du musst den Zorn nur fokussieren und was Positives schaffen. Wut muss nicht immer nur destruktiver Natur sein.

Redaktion: Was habt ihr eigentlich von den Aufständen in London mitbekommen? Wir hatten ja hier nur die Berichterstattung der Presse.

I: Die Bezirke, in denen das Ganze von statten ging, waren auch die Bezirke, in denen wir aufgewachsen sind. Wir kennen diese Gruppen wirklich gut und wissen auch um die Beziehung der Gruppen zu der Polizei. In der ersten Nacht hat die Polizei jemanden umgebracht und das tot geschwiegen. Es gab einen friedlichen Protest vor der Polizeizentrale, bei dem nach Antworten gesucht wurde. Die Polizei weigerte sich allerdings, zu den Leuten zu sprechen. Du kannst noch auf Youtube ein 16jähriges Mädel sehen, was von Polizisten geschlagen wird und ab da an ging es los. Die Leute hatten einfach keine andere Sprache und so eskalierte es. Zu dem, was auf den darauf folgenden Nächten geschah... da sind schlimme Dinge passiert und einige unschuldige
Leute haben was abbekommen und das ist wirklich schlimm. Aber auf anderen Seite haben die jungen Leute keine Hoffnung und keine Zukunft. Den Leuten wird gesagt, das Leben bestehe daraus, die neuesten Schuhe oder die neueste Uhr zu haben, auf eine gewisse Weise aussehen zu müssen und all diese Dinge zu haben, die sie sich nicht leisten können. Es wird ein kompletter Lifestyle kreiert, in dem es darum geht, das neueste iPhone oder was auch immer zu haben... Wenn du das natürlich tust, dann wollen die Kids diese Sachen auch haben, aber wenn du den Kids nicht die Möglichkeit gibst, gibt das Probleme. Die Sache ist einfach, die Kids haben keine andere Sprache, ihre Stimme zählt nicht. Unser Premierminister, Dave Cameron, und der Führer der British National Party, Nick Griffin versuchen diese Kids noch mehr zu spalten, ihnen noch mehr ihre Stimme zu entziehen und sie aus ihren Häusern rauszuschmeißen. Wenn du den Leuten weiter die Hoffnung nimmst und sie noch mehr ins Abseits drückst, passiert das sicher auch nochmal. Diese Politiker kommen nicht aus diesen Bezirken. Das sind stinkreiche Leute mit einem großen Vermögen. Sie wissen nicht, was arme Leute ausstehen müssen - sie wissen nicht, wie das Leben für uns ist. Sie spalten uns weiter, anstatt zu verstehen, dass es da auch einen Grund gibt, warum sowas passiert.


J: Um noch hinzuzufügen, es waren wirklich schlimme Dinge, die wir gesehen haben. Aber die traurige Wahrheit ist auch, dass jeden Tag in London, in Birmingham oder sonst wo auf der Welt schreckliche Dinge passieren. Das war nicht das erste Mal, dass wir jemanden geschlagen oder getöten gesehen haben oder wie jemand was geklaut hat. Wochen vor den Aufständen hat es niemanden interessiert als Mitglieder der armen Gruppen auf den Straßen marschiert sind und sich für bessere Rassenbeziehungen ausgesprochen haben und dass ihre Stimme erhört wird. Die Presse hat sich nicht darum geschert. Den Leuten wird von Geburt an gesagt, dass sie Nichts werden können und sowohl Itch, als auch ich, sind in solchen Bezirken aufgewachsen und wir wissen genau, wie es da ist. Ich bin wirklich froh darüber, dass wir beide es geschafft haben, nicht so zu enden und den Leuten, die meinten, wir hätten keine Träume und würden eh nichts erreichen, nicht zugehört haben. Wenn das Ganze dann mit einem friedvollen Protest vor dem Scotland Yard versucht wird zu ändern, interessiert es niemanden. Es wird ignoriert. Viele waren von den Aufständen überrascht - ich nicht. Es musste irgendwann so kommen. Nun müssen wir auf die Aufstände gucken und schauen, was wir für positive Änderungen machen müssen, um das Leben für alle besser zu machen.

Redaktion: Danke für diese völlig neue Perspektive. Kommen wir jetzt zum Interview im Interview mit vielleicht lustigeren Sachen. Deutsches Bier.

I: Es ist gut und stark. (lacht) Ihr macht besseres Bier als wir, euer Bier ist besser. Unseres ist nicht sonderlich gut und normalerweise importieren wir auch das meiste.

Redaktion: Das deutsche Publikum.

I: Anders, wirklich anders. Ich denke, in Großbritannien trinken die Leute mehr und sind auch etwas verrückter. In Deutschland sind die Leute respektvoller.

J: Bei der ersten Show der Tour waren wir total übermotivert, aber die Leute waren eher an unserer Musik interessiert, als am Rest. Ich denke, die Leuten hören einfach mehr zu.

I: Ja, es geht mehr um das Zuhören.

J: Es ist wirklich anders als in Großbritannien. Du musst härter arbeiten und die Musik für sich sprechen lassen. Es geht um die Musik und ich mag das auch so.

Redaktion: Vegetarier.

I: Bin ich nicht.

J: ...bin ich nicht! (lacht)

Redaktion: Fußball.

J: Achja, naja... wir sind nicht wirklich sportinteressiert. (lacht)

Redaktion: Bedeutung von Punk.

I: Für mich geht es darum, zu tun, was man tun möchte und nicht auf eine Szene zu hören, die dir sagt, wie du dich zu kleiden hast, was du glauben und sagen sollst. Es ist eine ehrenhafte Attitüde... Folge deinem Herzen trotz aller Schwierigkeiten.

J: Für eine lange Zeit habe ich Punk gar nicht als Musikform gesehen, aber ich denke, das ist es hauptsächlich. Da gibt es so viele Bands, die du als Punk bezeichnen kannst. Und wie Itch sagte: Es geht auch einfach darum, ein freies Leben zu leben.

Redaktion: Tod von Amy Winehouse.

J: Tragisch.

I: Yeah, das ist wirklich eine tragische Sache. Sie war definitiv ein Charakter. Eine gute Seele zu früh genommen.

J: Sie hatte nichts mit dem Pop Scheiß zu tun, den du jeden Tag in den Charts zu hören bekommst und sie war eine große Sängerin und Künstlerin. Zu früh von uns gegangen. Ich bin ein großer Fan von ihr.

Redaktion: Royal Wedding.

(Gelächter)

I: Es könnte mir nichts egaler sein. So geht es auch den meisten hier in England.

J: Ich hab's nicht mal gesehen, sondern geschlafen.

Redaktion: Die letzte Frage. Erinnert ihr euch noch an das erste Mal "Sex Education"?

J: Yeah, das war vor circa drei Wochen, als Itch mir die wichtigen Dinge des Lebens mitgeteilt hat. (lacht) Ich fühle mich komisch...

I: Ich kann mich nicht wirklich an das erste Mal, dass ich Brüste gesehen hab, erinnern.

J: Ich hab immer noch Angst davor. (lacht)

Redaktion: Letzte Worte für die Leute.

I: Vielen Dank für die Anfrage, euer Interesse und Support. Danke!

Eingetragen von bp am 17.11.2011.

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