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© Chapman Baehler
Redaktion: Meiner Meinung nach ist das neue Album "Straight Ahead" melodischer und weniger dunkel, als das letzte, "Full Circle". Was denkst du?
Fletcher: Ja, es ist melodischer und weniger dunkel! "Full Circle" war ein sehr heftiges Album, bedingt durch den Tod unseres Bassisten Jason. Eine Menge Agression und Emotionen wurden damals hineingemischt. Das letzte Album sollte wieder spassiger rüberkommen. So dass die Leute mitsingen können, eine gute Zeit haben; aber trotzdem ist unsere Show immer noch aggressiv.
Redaktion: Wie war die Situation nach Jasons Tod? Wollte sich die Band auflösen?
Fletcher: Noch nicht einmal zehn Minuten. Die Musik drückte schon immer positives Denken, Stärke und Vorwärtsbewegung aus. Wenn du an eine Mauer stösst, darfst du dich nicht aufhalten lassen, sondern musst die Mauer einreissen, sonst stirbst du! Sein Tod und das daraufhin folgende Ende der Band wären wirklich heuchlerisch gewesen! Wir müssen seine Message, die er an die Welt bringen wollte, weiterverbreiten. Deswegen war das eine sehr leichte Entscheidung für uns weiterzumachen. Wir kämpfen weiter.
Redaktion: Um welche Message handelt es sich denn?
Fletcher: Jeden Tag zu leben, Gesellschaft, mein eigenes Land, eigene Regeln zu erschaffen. Die Songs sind fast alles Aufforderungen: Hebe deinen Arsch, du kannst alles sein: Arzt, Anwalt, Punkrocker,... Z.B.: Wenn jemand mit seinem Job unzufrieden ist und Profisurfer werden will, dann soll er verdammt noch mal Surfen lernen! Die Leute sollen sich nicht mit 60 fragen, was sie alles verpasst haben. Deshalb ist unsere Message: Live Fast - Die Young! oder auch: Live Fast - Die Old!. Wenn du den ganzen Tag vorm Fernseher sitzt, dir 'nen Joint rauchst und am nächsten Tag vom Bus plattgemacht wirst, dann war dein letzter Tag verschwendet!
Ich mache seit 20 Jahren Punkrock und hatte schon als Jugendlicher keinen Bock Football zu spielen, sondern wollte lieber in einer Band spielen und Drogen nehmen. Meine Eltern waren damit nie einverstanden, sie sagten, dass Punkrock mein Leben ruinieren würde.
Und heute fragen sie mich, ob ich ihnen eine Postkarte aus Deutschland schicken könnte. Sie haben noch nie das Land verlassen und ich war schon ca. 40.000 Mal in Deutschland, nur des Punkrocks wegen. Und habe viel Gratis-Bier gehabt!
Redaktion: Betrachtest du Pennywise als Hardcore- oder Punkrockband?
Fletcher: Ich halte es für Hardcoremelodicpunk. Was ist der Unterschied? Punk ist Punk. Und Hardcore ist ein bestimmter Sound. Und wenn du eine bestimmte Message über Freiheit, Rebellion und Anarchie hast und du es schnell spielst, dann ist es Punkrock. Ich finde, da muss keine Trennung sein. Wir klingen bestimmt nicht wie eine Eastcoast-Hardcoreband, wie Sick Of It All, denn wir hören uns eher nach Westcoast-Punkrock an, z. B. wie Good Riddance. Aber die Einflüsse auf unsere Musik bestehen sicherlich aus Hardcorevibes. H2O haben z. B. Westcoasteinflüsse. Ich fühle mich Hardcore, aber wir haben viele Punkaussagen in unseren Lyrics. Deswegen Hardcoremelodicpunk.
Redaktion: Meinst du, dass man Punkrock und Hardcore als unkommerzielle Musik betrachten muß?
Fletcher: Die Punkrockszene existiert nicht mehr richtig, es ist Mainstream geworden. Ich finde nicht, dass es kommerzialisiert werden sollte. Es gibt Offspring, Green Day usw., die halt 9 oder 10 Millionen Platten verkaufen. Aber wenn z.B. Sick Of It All 'ne neue Platte machen, kann es vorkommen, dass ihre Sachen im Radio und auf MTV gespielt. Die können das machen, MTV können ja spielen was sie wollen, ohne irgendeine Erlaubnis abzuholen. Dann verkaufen Sick Of It All 10 Millionen CDs, mögen wir sie dann weniger gern? Die Message ist dieselbe, solange sie nicht 50$ für ein Ticket oder 45$ für ein Shirt nehmen. Die Hauptsache besteht darin, wie sich die Band verhält, wie hoch die Preise sind und wie die Fans behandelt werden. Und natürlich in der Aussage der Musik. Wenn etwas kommerziell wird, dann wird's eben kommerziell. Selbst wir hatten bei unserer neuen Platte Radio-Airplay in den Staaten. Das Radio spielt eben die Sachen, die denen gefallen.
Ich mag die frühere Szene lieber, da damals noch alles kleiner und intimer war. Aber die Zeiten sind vorbei. Nun will ich, dass Millionen Leute Pennywise hören und die Texte lesen, um etwas mitzunehmen. Oder 10 Millionen. Oder 1 Billion. Um so mehr Leute Pennywise hören, um so smarter werden die Leute. Normalerweise verkaufen wir aber von jedem Album 400.000 Einheiten weltweit.
Redaktion: Ist denn schwer, T-Shirt- und Ticketpreise zu kontrollieren?
Fletcher: Es wird immer schwerer. In Amerika wollen wir für 10$ spielen, aber der Veranstalter sagt , dass es 12$ sein müssen. Ich vergess dabei immer, dass 'ne Inflation mitberechnet werden muß, denn vor 10 Jahren gab es halt Shows für 10$. Unsere Shirts verkaufen wir für 11$, wobei es ein großes Problem in Amerika ist, da die Clubbesitzer noch mal 4$ von dem Shirtpreis für sich beanspruchen. Dann verdienst du nichts am Shirt. Sie versuchen die Preise hochzutreiben, damit sie bei einem Preis von 20$ die Hälfte abziehen können. Also kannst du nur verdienen, wenn du 25$ nimmst, dann kriegst du die Hälfte. Fuck! Auf der Warpedtour in St.Louis hat keine Band T-Shirts verkauft, stattdessen gab's nach der Show den T-Shirtverkauf auf dem Parkplatz. Wir hatten 1000 Hamburger, 2000 Kids waren da und die Bands verkauften an den Vans die T-Shirts für 10 Bucks. Das hat tierisch Spaß gemacht, einge Bands haben dann auf dem Parkplatz soger noch ein Set gespielt. Das war in St.Louis und der Promoter war super angepisst, da er nichts an den Shirts verdient hat. Wir meinten: "Fuck You!", wir erhöhen unsere Preise nicht!
Das ist verdammt cool für die Kids, obwohl die Sache nicht einfach war und einigen Leuten Probleme eingehandelt hat.
Redaktion: Ich denk' das ist Punkrock...
Fletcher: Ja, das ist Punkrock.
Redaktion: Du magst Offspring nicht, oder?
Fletcher: Das sind nette Jungs, Freunde von mir, sie hatten viel Glück und haben deshalb 'nen Majorlabeldeal. Viele Entscheidungen, die Offspring treffen, versteh' ich nicht und bin nicht deren Meinung. Aber sie haben die Wahl getroffen, es so zu machen.
Redaktion: Wer schreibt die Texte bei Pennywise?
Fletcher: Jimmy schreibt das meiste an den Texte, damals hat Jason auch viel geschrieben. Ich und Randy schreiben ungefähr 1 Prozent. Manchmal kommen alle mit einer Idee zusammen, ich sag dann "Fight Till You Die" und Jimmy schreibt den Song dazu.
Redaktion: In dem Song "My Own Country" scheint es, dass Pennywise niemals mit der amerikanischen Regierung zurecht kommen werden. Was genau gefällt euch nicht?
Fletcher: Alles (lacht). Nein, so schlecht ist es nicht, aber es ist doch schon ziemlich schlecht.
Es ist wirklich dumm. Es gibt keine Waffengesetze und täglich sterben Menschen und Kinder. Da gehen Menschen in die Schule und töten fünfjährige Kinder, aber immer noch wird gesagt, dass Waffen in Amerika benötigt werden. Wir brauchen sie ganz sicher, sie helfen unserer Gesellschaft, deshalb sterben jeden Tag Menschen. Auch die Bildung ist richtig schlecht. Lehrer verdienen im Jahr 30000$, also 60000 DM, und sollen 9 Monate im Jahr und 8 Stunden am Tag Kindern von 4-20 Jahren etwas beibringen. Wie kann jemand motiviert sein einen guten Lehrer darzustellen, wenn du als Pizzabäcker mehr Geld machen kannst, nämlich etwa 36000$.
In der Bildung ist ein großes Problem vorhanden. Außerdem sollte Marihuana legalisiert werden und das Geld dazu benutzt werden, Krieg sowie harte Drogen zu bekämpfen. Die sollen sich nicht um das Scheiß Marihuana kümmern, die sollten sich um Alkohol sorgen, da Alkohol viel schlechter als Marihuana ist. Ich weiß, dass ich 'ne Menge Alkohol trinke und dadurch manchmal in Trouble gerate. Wenn ich einen Joint rauche, gerate ich nicht in Trouble.
Außerdem wird in der Regierung verdammt viel gelogen: Die erzählen einem viele Gründe, warum sie ein Land bombadieren, aber diese Gründe sind alles Lügen. Die wahren Gründe werden verschwiegen.
Es gibt zudem keine Rente für alte Menschen und wenn du die medizinische Behandlung nicht bezahlen kannst, muß du manchmal bis zu 15 Stunden warten. Wenn du angeschossen wurdest und ins Krankenhaus kommst, sagen sie, dass du nicht sterben wirst und warten sollst. Das selbe passiert bei einem gebrochenem Arm. Das ist total verrückt.
Es gibt verdammt viele Probleme, aber es wird auch nie eine perfekte Regierung geben.
Wahrscheinlich gibt's in der ganzen Welt keine perfekte Regierung.
Redaktion: In dem Song "Badge Of Pride" geht's darum, "true" zu sich selbst zu sein. Was bedeutet das für dich und wie zeigst du es?
Fletcher: Ich denke, es ist ganz einfach: Kümmere dich um die Fans, und die Fans werden sich um dich kümmern. Das sind diejenigen, die die Rechnungen bezahlen und mein Essen auf den Tisch stellen. Wenn du die Fans gut behandelst, indem du niedrige Ticket- und Shirtpreise ansetzt, eine gute Show bietest, außerdem mit ihnen abhängst und Bier trinkst, werden sie es dir danken und wiederkommen. Dieser Song handelt davon, wie du dich fühlst, wenn du aufwachst.
Redaktion: Fühlst du dich, als wenn du dich verkauft hättest?
Fletcher: Wir haben schon soviele Angebote bekommen für eine Menge Geld dies und das zu machen.
Da gab's folgende Aktion: "Chewing Tabacco" merkte, dass die Warpedtour populärer wird und wollte den Bands enormes Geld bieten, um diese Tour zu sponsern. Ich hab denen gesagt: "Fuck You!". Ich stell' mich nicht auf 'ne Bühne und promote Tabakprodukte, die Krebs verursachen, und überall stehen 13jährige Kids. Wenn du es rauchen willst, ist es ok, aber so etwas promoten wir nicht.
Wenn du dann morgens aufwachst und merkst, du hast es nur fürs Geld gemacht, dann bist du nicht ehrlich zu dir selbst. Dann lebst du nicht nach dem Herzen, sondern verkaufst dich.
"Selling Out" geschieht dann, sobald du Entscheidungen des Geldes wegen machst. Wenn deine Musik im Radio oder bei MTV läuft, ist das kein Ausverkauf, solange du die Musik und Videos so machst, wie du es willst.
Wir hatten ein Video zu "Society" gemacht, hast du es mal gesehen?
Redaktion: Ich hab's auf der Epitaph-Videocompilation gesehen, es ist verdammt hart.
Fletcher: Epitaph schickte dieses Video zu MTV und die warfen es weg. Sie wollten es auf keinen Fall spielen und wir wussten, dass es so kommt. Wir gestalteten dieses Video so, da wir meinten, so müsste unser Video aussehen.
Redaktion: Letzte Woche haben wir mit Lou von Sick Of It All gesprochen, er meinte, dass man die Welt nicht ändern könne, aber sich selbst verbessern. Was denkst du?
Fletcher: Du kannst die Welt nicht verändern. Wenn alle Menschen auf der Welt Pennywise, Sick Of It All, Good Riddance oder andere Bands mit einer Message hören würden, wäre die Welt wahrscheinlich anders. Viele Menschen haben ihre Meinung verändert, als sie bestimmte Bands zu hören bekamen. Besonders für Jugendliche ist der Einfluß groß und wenn es nur Marylin Manson ist, dann wünschen sich die Kids der Teufel zu sein. (Randy, der Bassist, kommt dazu...)
Randy: Ich denke, dass...
Fletcher: He, das ist nicht dein Interview!
Randy: Was er meint ist, wenn jeder sich selbst verbessert, verbessert sich die Welt.
Fletcher: Das hab' ich nicht gesagt, Lou meinte es.
Randy: Ah, Lou, sehr netter Kerl.
Fletcher: Man kann die Welt nicht verändern. Obwohl eine Person kann die ganze Welt verändern, denn wenn ich Präsident wäre, würde ich erstmal Deutschland bombardieren und alle töten. (alle lachen). Kleiner Spaß.....
Redaktion: Auf Fotos gucken Pennywise immer so ernst. Soll das eure Einstellung unterstützen?
Fletcher: Nein, wir hassen es nur Fotos zu machen. Wir sind nicht ernst, sondern wollen immer ganz "tough" rüberkommen. Hehehe...
Randy ist verdammt "tough"...
Ich denke schon, dass wir 'ne ernste Band mit einer ernsten Message sind. Nicht so wie NOFX, die lustige Gesichter machen oder Blink 182, die nackt oder in Untetwäsche posieren und sich gegenseitig küssen. Das würde nicht zu unserer Musik und Aussage passen. Stell dir mal vor, Pantera würden nackt auf Fotos posieren, das wäre nicht passend.
Redaktion: Vor zwei Jahren hattest du Probleme mit der Polizei?
Fletcher: Vor zwei Jahren? Eher vor zwei Tagen.
Redaktion: Was passierte damals? Du konntest das Land nicht verlassen und mußtest vor Gericht.
Fletcher: Ja, da gab's ein Problem, das dann vor Gericht behandelt wurde. Ich hatte 'ne Prügelei mit drei Polizeibeamten, besser gesagt, sie haben sie mich verprügelt. Nachher sagten sie, dass ich sie geschlagen hätte, was 'ne Lüge ist.
Ich bekam dann zwei Jahre auf Bewährung. Vor zwei Monaten hatte ich wieder 'ne Prügelei und bekam noch ein Jahr auf Bewährung. Ich hab immer Ärger mit der Polizei. Ich mag sie nicht und sie mögen mich nicht.
Redaktion: In den letzten Jahren werden auf der Warpedtour immer verschiedenartigere Musikstile präsentiert. Wie z.B. Ice-T. Das ist nicht nur Punkrock- und Hardcoreorientiert. Was denkst du darüber? Findest du das in Ordnung?
Fletcher: Ice-T ist Punkrock! Denk mal an "Copkiller". Das ist schwarzer Punkrock mit einer anderen Kultur, er drückt eine andere Mentalität aus. Aber die Aussage ist die selbe: Anarchie und Rebellion, halt mit Drogen, Girls und Geld.
Aber es ist gut, dass er dabei ist, denn da draußen sind viele Leute, die ihn mögen. Genau wie viele uns, Ignite oder die Ärzte mögen.
Wenn nur Punkrock gespielt werden würde, wäre es zu langweilig.
Redaktion: Magst du die deutschen Bands auf der Warpedtour? Beatsteaks, Such a Surge...
Fletcher: Wer sind die Beatsteaks?
Randy: Such a Surge machen deutschen HipHop...
Redaktion: Ja, Crossover. Magst du sie?
Fletcher: Das ist mein Interview.
Ich hab' sie aus einigen Meter Distanz gehört. Klingen ähnlich wie H-Blockx. Gefällt mir, obwohl ich nicht verstehen kann, was sie singen. Aber die Beatsteaks sind großartig, Fuckin' Rockband! Die erinnern mich an Rocket From The Crypt und ich denke, dass sie sehr von denen beeinflußt sind. Sie sind verdammt gut, ich hab' sie schon dreimal gesehen. Ich muß immer Interviews mit solchen Fuckers wie euch machen, deshalb kann ich mir die Bands nicht angucken.
Redaktion: Harter Job...
Fletcher: Yeah...
Redaktion: Das war alles. Dankeschön.
Fletcher: Danke euch!
Eingetragen von ns am 30.08.1999.